Die deutsche Politik ist manchmal wirklich so eine Sache. Kaum weiß jemand nicht mehr weiter, wird erst einmal ein Kampfbegriff in den Raum geschmissen. Daraufhin bricht ein Teil der Bevölkerung in lautem Jubel aus und den Rest hört man nicht mehr. Kaum ist der Jubel vergangen, stellt man verduzt fest, dass sich eigentlich gar nichts geändert hat. Kein Wunder, dass einem manchmal der Eindruck beschleicht, dass man in einer Zeitschleife gefangen ist. Vielleicht sogar dem Vorhof zur Hölle – je nachdem wer gerade spricht.
Heute wird wieder einmal die Sau „Spitzensteuersatz“ durchs Dorf getrieben. Wer bereits eine Weile hier mitliest, wird schon aufgefallen sein, dass ich kein besonderer Freund eines „schlanken Staates“ nach neoliberaler Vorstellung bin. Ich bin einfach zu Pessimistisch als das ich an einfache Lösungen glaube – insbesondere dann, wenn sie von Menschenhand kommt.
Wieso macht mich die Forderung nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes dann wieder traurig? Ganz einfach, weil es bedeutet, dass ich wieder einmal mehr Steuern zahlen darf. „Richtig so!“ jubelt es gleich aus dem linken Spektrum! „Wer viel verdient, soll sich auch stärker an der Gesellschaft beteiligen!“ Und ich bin gewillt dem durchaus auch zuzustimmen.
Ich bin ein wirklicher Freund eines progressiven Steuersatzes. Je größer die Einkünfte einer Person sind, umso mehr sollten diese auch besteuert werden. Das mag auf den ersten Blick nicht besonders fair wirken, aber ich halte es für wichtig, dass es einen solchen Effekt geht. Immerhin wird mit zunehmenden Vermögen eben auch einfacher zusätzliches Geld zu verdienen. Um einer zu starken Vermögenskonzentration entgegen zu wirken, macht dies aus meiner Sicht eben Sinn.
Dies mag zunächst einmal im Widerspruch stehen. Aber eben nur auf den ersten Blick. Den bereits die Ankündigung, dass rund 3 Millionen Bundesbürger von diesem neuen Spitzensatz betroffen sind, sollte einen nachdenklich machen. Haben wir wirklich 3 Millionen Milliardäre in diesem Land? Während der radikale Linke bereits leuchtende Augen bekommt und sich ausrechnet, was wir uns alles im nächsten Jahr leisten können, sollte der Rest bereits den Braten riechen.
Bereits ab rund 55k € pro Jahr, fällt man bereits in den Bereich des Spitzensteuersatzes von 42%. Dies entspricht dem 1,6x des durchschnittlichen Einkommens. Wer ein abgeschlossenes Studium in einem wirtschaftlich sinnvoll zu verwendenen Bereich hat, läuft also bereits rein. Gleiches gilt für gefragte ausgebildete Fachkräfte, die am besten noch gewerkschaftlich organisiert sind. Achso und übrigens auch einige Rentner, die in den Genuss einer altersbedingten Abfindung kommen mit denen sie nach einer geplatzten Übernahme ihre letzten Jahre bis zur Rente überbrücken müssen und nur kurzzeitig dadurch ein höheres Einkommen haben.
Ja, aber den Höchststeuersatz zu zahlen, heißt ja noch lange nicht das Ende der Fahnenstange! Immerhin haben wir ja auch noch eine Reichensteuer! Die kommt ja für wirklich große Vermögen noch einmal on Top! Somit steigt der Steuersatz noch einmal um 3%, der greift, wenn man ein jährliches zu versteuerndes Einkommen von 256k € hat.
Die gute Nachricht an die 3 Millionen Spitzensteuerzahler (Bund sagt sogar 4,2) ist also, dass sie nun wirklich erst einmal am Ende der Fahnenstange sind und nun erst einmal 200k € mehr verdienen müssen, bevor sie dann nochmal etwas mehr abdrücken müssen. Das bittere daran ist, dass natürlich mit ansteigenden Einkommen auch die Möglichkeiten der Steuervermeidung ansteigt. Bei 200k€ mehr, kann ich mir auch einen Steuerberater leisten, der mir mal eben eine Bilianz erzeugt.
Dann hebe ich alle Immobilien einfach in eine vermögensverwaltende GmbH und kann Investitionen als Werbungskosten abziehen. Genauso wie ich kein Geld dafür brauche, sondern dieses einfach in Form eines Kredits aufnehme. Immerhin kann ich auch die Zinsen als Werbungskosten absetzen. Wer mal als Eigentümer einer Wohnung in den Genuss einer Heizungssanierung gekommen ist, wird da mit offenen Mund dar stehen und sich wundern, wo er das den in seiner Steuer absetzen kann.
Viel genauer will ich da gar nicht drauf eingehen. Aber mit steigenden Vermögen, steigen auch die Möglichkeiten für eine Steuervermeidung. Gerade Kapitalgesellschaften beweisen dies ja durchaus immer gerne wieder. ;)
Wieso zahlen also immer mehr Deutsche einen Spitzensteuersatz obwohl sie ganz gewöhnliche Einkommen haben? Dies wird offensichtlicher wenn man sich das Verhältnis zum durchschnittlichen Einkommen ansieht. Reicht heutzutage bereits das 1,6x des durchschittlichen Einkommens, musste man 1960 noch das 22x verdienen, bevor man in den Genuss davon kam. Wer also früher den Spitzensteuersatz zahlte, war im Verhältnis wirklich extrem reich.
Es betrifft also jeden elften Bundesbürger. Die Chancen stehen übrigens nicht schlecht, dass jeder von uns jemanden kennt. Gerade Singles sind dabei besonders wahrscheinlich und zahlen doppelt so wahrscheinlich Spitzensteuer. Glaubt man dann Personen wie den Herrn Merz betrifft es damit ja quasi nicht den Mittelstand, sondern eigentlich ja schon eher die Unterschicht :)
Nein, ohne Sarkasmus, der Spitzensteuersatz verbrennt die Mittelschicht unserer Gesellschaft und trifft eben nicht die Supereichen die viele vor Augen haben, wenn sie eine solche Steuer einfordern. Aber an diesem Punkt der Diskussion kommt man mit den meisten Menschen überhaupt nicht, weil sie dann bereits im Kampfmodus übergangen sind. Immerhin gibt es ja durchaus viele Leute in prekären Arbeitsverhältnissen und man muss damit ja auch ein wenig Solidarität zeigen! Stimmt, den noch ein paar Mindestlohnerhöhungen und sie zahlen dann auch bald den Spitzensteuersatz! ;)
Nein, liebe SPD! Das war auch dieses Mal wieder absolut nichts. Während ich lange Zeit immer noch an Absicht geglaubt habe, überkommt mich zunehmend das Gefühl, dass es hier doch echtes Unwissen sein könnte. Wer den Menschen sagt, dass diese für ihre Renten selbst aufkommen sollen und gleichzeitig auf diese Weise ihr Einkommen wegbrennt, dann ist das echter Hohn.
Lasst uns doch eine wirkliche Reform durchführen. Wir machen einfach einen Spitzensteuersatz von 80%. Damit sind wir immer noch niedriger als die 95% der BRD nach dem zweiten Weltkrieg und auch niedriger als die Spitzensteuersätze die lange Zeit in den USA üblich waren. Dann nehmen wir das Durchschnittseinkommen von 44500 € pro Jahr. Aus purer Unwissenheit über die Einkommensstruktur heutiger Spitzenverdiener (die ja scheinbar gerne aus Statistiken entfernt werden), nehmen wir den Stand von 1960 und geben einen großzügigen Faktor von 10 an.
Somit würden den Spitzensteuersatz dann Einkommen ab 8,9 Millionen Euro zahlen. 30K € definieren wir als neue Elendsgrenze. Wer darunter verdient geht komplett steuerfrei aus. Immerhin soll sich Arbeit ja auch wieder lohnen. Zwischen diesen beiden Punkten interpolieren wir dann einfach das Steuerspektrum. Gerne auch linear, damit es sich einfacher rechnen lässt.
Während die meisten Linken immer noch rechnen müssen und es nicht verstehen (ich unterstelle es ihnen Mal, weil sie sonst solche Forderungen ja auch mal gestellt hätten... gerade jene in der Regierung), würden die Neoliberalen die Hände über den Kopf zusammen schlagen und sagen, dass man damit ja die Leistungsträger der Gesellschaft bestrafen würde.
Das stimmt. Aber es wäre immer noch besser als den Mittelstand aufwärts ab zu lähmen. Immerhin würde bei meinem Vorschlag sogar ein Herr Merz noch immer weit davon entfernt sein einen Spitzensteuersatz zu zahlen. Und wenn ich besonders nett wäre, würde ich sogar noch erlauben private Investitionen von der Steuerschuld zu 20% abzuziehen. Dies entspricht in etwa dem Satz den man einer Privatperson zubilligt für Arbeiten an ihrem Haus von der Steuer abzuziehen. Aber eben nur vom Lohn des Handwerkers und nicht vom Material. Bin gar nicht so! Die Investitionen können mit Lohn und Material angesetzt werden!
Und plötzlich würden die Unternehmen auch wieder anfangen mit Freude zu investieren und wir würden nebenbei etwas lösen an dem die EZB bereits seit Jahren scheitert. Die Wirtschaft würde recht schnell prosperieren oder zumindest der lange anhaltende Investitionsstau endlich zum Ende kommen. Wem die Steuer dann zu hoch ist, kann ja gerne nach China ziehen. Aber wem Freiheit und Wohlstand wirklich etwas bedeuten, der sollte nicht den Trickle-Down-Effekt ständig hervorkramen, sondern dafür sorgen, dass die Gesellschaft nicht langsam erstickt.
„Aber wir schaffen ja auch Arbeitsplätze!“ würde einige der Spitzenvermögen rufen! Stimmt. Aber ich würde dies auch gerne tun. Wir haben nämlich eine Erfindung in unserem System, die sich Aktiengesellschaft nennt. Damit ist es auch möglich, dass viele kleine Vermögen sich zusammen schließen um mit einem großen Vermögen eine Unternehmung einzugehen. Das Geld ist ja nicht aus dem System heraus. Es schafft nur jemand anderes dann die Arbeitsplätze...
Zunächst einmal vielen Dank falls Du es hier bis zum Ende ausgehalten hast. Ich gebe zu, dass der Text an vielen Stellen sehr ins polemische abdriftet. Aber ansonsten sind so manche Phrasen die in solchen Diskussionen entstehen kaum noch zu ertragen. Den Hand aufs Herz! Wo habt ihr das letzte Mal eine solche Diskussion über eine gerechte Steuerverteilung in der Öffentlichkeit gehört?
Es wird sich ständig nur darum gekloppt, ob man die Spitzensteuer nun mal wieder um einen Punkt erhöhen oder erniedrigen soll. Beide Seiten tragen unter viel Krach ihre üblichen Positionen und „Argumente“ vor und am Ende bleibt im Kern alles beim Alten. Und während so mancher Bürger sich noch wundert, wieso ihm nach der letzten Lohnrunde weniger übrig bleibt. Die jungen Leute wundern sich, wieso früher jeder ne Haus bauen konnte und man heute rechnerisch dazu nie in der Lage sein wird. Und die Bundesregierung wundert sich, wieso niemand etwas Privat zur Rente zurücklegen will. Der Reiche fühlt sich bedroht, der Linke ist zornig. Klingt nach einer guten Ursuppe für eine zufriedene Gesellschaft.
Übrigens in der Pre-Trump-Ära zahlte man in den USA einen Spitzensteuersatz von 39,6%. Allerdings eben auch erst ab 450k USD Einkommen. Vielleicht muss es ja gar nicht mein radikaler Steuersatz von oben sein. Vielleicht übernehmen wir einfach erstmal diesen und schauen, wie sich dies anfühlt. Das die Unternehmen und Menschen in Scharen das Land verlassen würden, kann man da ja kaum als Argument gelten lassen ... Nichtmal, wenn man Trump als Präsident hätte ;)
Auch wenn ich durch die vielen Augenzwinkern schon fast wie ein Epileptiker wirken mag... ich hoffe die eigentliche Nachricht kommt an... Momentan ist mir ein wenig nach Gedankenverbrechen. Bald widmen wir uns dann auch wieder mehr den üblichen Themen!