Ein Blick auf und neben den Teller

Die erste Frage, die sich grundsätzlich im Kontext der Ernährung einhergeht, lautet wohl so wie folgt oder zum Verwechseln ähnlich:
Warum greifen wir überhaupt zu etwas Essbarem?
Eines scheint jedenfalls unbestritten: Es existiert nicht nur „die“ eine Antwort, zu der wohl jeder Befragte automatisch zurückgreifen würde.
»Weil ich Hunger habe.«
Aber es ist die häufigst in Anspruch genommene.
Denn in dem Augenblick, wenn unser Blutzuckerspiegel auf Tauchstation geht, meldet sich bei uns das Verlangen, möglichst zeitnah Sättigendes zu sich zu nehmen. Ein angeborener Reflex, der allerdings auch sehr vielfältige Risiken in sich birgt. Den sich immer stärker werdenden Hunger zu besänftigen (allerdings so, dass der Verdauungstrakt nicht von null auf hundert zu einer Achterbahnfahrt gezwungen wird), dieser Herangehensweise sollte vielleicht mehr Bedeutung beigemessen werden.
Doch lungern im Hinterhalt, neben dem biologischen Faktor, auch noch Situationen, die geradezu einladen, sich so zu verhalten, als müsse unbedingt jetzt und sofort der verfressene Quälgeist unter Kontrolle gebracht werden. Es sind die Situationen, die von emotionalen, sozialen oder kulturellen Einflüssen bestimmt werden. Sei es die hemmungslos einverleibte Portion Chips während der Sport-Übertragung. Das Treffen mit Freunden, bei dem (spätestens nach dem dritten Bier) die Pizza per Lieferdienst wie gerufen kommt oder das formelle Dinner, bei dem der Chef höchst zufriedene Gesichter um sich wissen möchte. Auch dort wird gefuttert, obwohl der Pegel des Reservoirs noch keinen akuten Mangel anzeigt.

Werfe ich nun einen ersten, vorsichtigen Blick nach links und rechts, bevor ich die stark befahrene Autobahn der Nahrungskette betrete, rollen auch Exemplare mit dem „Hive-Symbol“ an mir vorbei. Es handelt sich um die Beiträge, die allesamt von dem Thema geprägt sind, welches in meinem heutigen Beitrag einen hohen Stellenwert einnimmt.
Dabei oft (vielleicht zu oft) reduziert auf die Erkenntnis:
Hauptsache, es hat satt gemacht!
Dieses Fazit überstrahlt oft den ganzen Rest.
Warum auch nicht könnte man sagen? Schließlich war dies Sinn und Zweck der Aktion.
Diesem Argument ist zwar nur schwerlich beizukommen, doch wage ich den Versuch zu erklären, weshalb es sich, auf meine Person bezogen, nicht so einfach auf diesen Nenner bringen lässt.
Aufgewachsen in einer Familie, geprägt von der bäuerlichen Kultur, mit einem akademisch ausgebildeten Seiteneinsteiger (der sich mir als mein Vater vorstellte), gab das Greifbare aus Stall, Garten und Feld vor, was täglich an Essbarem auf dem Tisch landete.
Es hätte mich schlimmer treffen können – sollte man denken.
Ich könnte dem auch zustimmen, hätten sich da nicht ein paar Kleinigkeiten eingeschlichen, die mir im Laufe der Jahre böse aufstoßen sollten. Wovon jeder von uns wohl ein Lied singen kann, ist die Grundlage eigener Erfahrungen, dass der Reflux, hervorgerufen durch die Ernährung, ein unangenehmer Begleiter sein kann.
Da (allein der Gedanke daran), als Start in den Tag mir eine Scheibe Bauernbrot mit Schmalz, Blut- oder Leberwurst zwischen die Kiemen zu schieben, schon kalter Schauer über den Rücken trieb und die süße Alternative, geprägt von Butter und Marmelade auf Dauer auch langweilig wurde, bereitete ich mir mein Frühstück (Müsli in den verschiedensten Variationen) selbst zu. Danach ging es per pedes und Nahverkehrszug zur Schule.

Meine im Stillen gehegte Hoffnungen, zumindest nach dem Mittagessen den Mund zufrieden abwischen zu können, lösten sich rasch in Luft auf. Augenblicklich dann, als sich die Speckscheiben unter das Rührei verirrten und der Rest der Sau es sich auf meinem Teller neben dem Blumenkohl und den Pellkartoffeln gemütlich machte.
Eine, der mir rücksichtslos auf den Teller geschaufelten Höchststrafen!
Stand dann endlich auch mal ein riesiger Topf mit Hühnerbrühe, viel Gemüse und selbst gemachten Nudeln auf dem Tisch, attackierte mein Opa rücksichtslos meine Geschmacksnerven, indem er Maggi-Würze in den Suppentopf schüttete.
Die Geschmacksnerv-Guillotine schlechthin!
Nach Abschluss der Schulzeit war von meiner Seite vornehmlich Verweigerung angesagt. Und dies in mehrerlei Hinsicht. Weder zeigte ich erhöhtes Interesse an der Landwirtschaft, noch spürte ich das Verlangen in mir lodern, direkt von der Schulbank in den Hörsaal zu wechseln. Und am allerwenigsten Lust hatte ich darauf, Deutschland am Hindukusch oder wo auch immer auf diesem Planeten zu verteidigen. Mir war mehr danach, endlich festen Boden unter den Füßen zu spüren. Von A bis Z für mich selbst verantwortlich zu sein.
Und zwar fernab der Umgebung mit Rundumversorgung, in der die menschlichen Geschmackssinne gegenüber dem kulinarischen Wohlergehen der Tiere vollkommen vernachlässigt wurden.
Aber wohin, wenn die Sponsoren aus all den Jahren seit meiner Geburt, den Begriff Totalverweigerung ebenfalls für sich entdecken?
Auf der Wunschliste daher ganz weit oben:
- Auf jeden Fall so weit weg, dass die Distanz nicht mit dem Traktor oder Mähdrescher innerhalb eines Tages zurückzulegen ist.
- Ein Job, der mich Monat für Monat finanziell über die Runden kommen lässt.
- Noch besser, einen Arbeitgeber, der mir ein Dach über dem Kopf bietet.
- Das Nonplusultra – gut und günstig täglich den Magen versorgen zu können.
Daher ganz weit oben innerhalb der Möglichkeiten des machbaren – die Gastronomie in ihrer gesamten Vielfalt. Das Glück weilte zufälligerweise einen Augenblick auf meiner Seite und spülte mich (im wahrsten Sinne des Wortes) in ein größeres Hotel in der gehobenen Preisklasse. Dieses Haus war gerade auf der Suche nach einem Deppen, der überall einsetzbar und ohne illusorische Gehaltsforderung sofort zur Verfügung steht. Da meine Tätigkeit innerhalb der Buchhaltung unter der Bezeichnung »Studenten-Job« geführt werden konnte und ich von null und nichts eine Ahnung hatte (insbesondere nicht von dem, was mich da erwartet), fand ich mich an einem Ort wieder, der mir sogar freie Kost und Logis bescherte.
Der Mensch benötigt wenig, um das Gefühl von Glück bei sich zu spüren.
Alle meine inneren Uhren wurden „neu“ justiert. Meine Sportschuhe blieben (bis auf ganz wenige Ausnahmen) ungenutzt, stattdessen schlüpfte ich am Morgen in die Gummistiefel. Danach freundete ich mich rasch mit einem Monstrum von Maschine an, welches unablässig nach schmutzigem Geschirr gierte, um es kurze Zeit später in neuem Glanz auszuspucken. Ich muss rückblickend zugeben, dass es nicht unbedingt ein Traumjob ist. Allerdings offenbart er dir die Gelegenheit, ständig im verhältnismäßig engen Kontakt mit der Equipe zu sein, die für das Geschmackserlebnis beim Gast verantwortlich ist.

Es war für mich der Einstieg in eine bis heute andauernde Erkundungstour, wie mit Lebensmittel umzugehen ist und welch Freude eine Karotte oder ein Stück Porree dem Gaumen bereiten kann. Grundvoraussetzung dafür jedoch (davon bin ich jedenfalls fest überzeugt), dass dem Produkt der gebührende Respekt entgegengebracht wird und die zarten Prinzessbohnen im Nachhinein nicht als völlig verkochtes, graues Konglomerat lappiger Fäden auf dem Teller landet.
An dieser Stelle kann ich auch das Vorurteil beiseite räumen, gute Köche würden nur ungern und wenn schon, dann nur gegen Bezahlung, sich bei der Arbeit über die Schulter blicken lassen. Dieses Stereotyp mag zwar auf die eitlen Pfaue in Weiß zutreffen, die unablässig ihr Schneidemesser vor laufender Kamera durch die geschälte Zwiebel ziehen, jedoch nicht auf die, welche ich im Laufe meines Arbeitslebens bis jetzt kennenlernen durfte.
Der Abbau von Vorurteilen oder Berührungsängsten (von meiner Seite aus) zwischen Spülbereich und Herd nahm in seinen Lauf, als ich den Köchen gegenüber bekundete, wenn Zeit vorhanden und kein schmutziges Porzellan in der Warteschleife lungert, ich auch bereit wäre, die eine oder andere Pfanne oder Topf zu reinigen. Keine Alltäglichkeit, da Köche im Allgemeinen selbst für ihr Geschirr Verantwortung tragen. Als Gegenleistung wurden mir geduldig neugierige Fragen beantwortet und (noch viel aufregender) – ich durfte auch kosten, was da in der Vorbereitung kredenzt wurde.

Der Vorbereitung, also der Weichenstellung für ein schmackhaftes Essen, gebührt ohnehin mindestens so viel Aufmerksamkeit wie der finalen Zubereitung. Was vergessen oder nicht eingekauft, nicht gekühlt oder mariniert wurde, steht dann auch nicht zur Verfügung, wenn man langsam beginnt Gott und die Welt zu verfluchen – obwohl die keinerlei Schuld trifft.
In den kommenden Wochen werde ich daher den Versuch unternehmen, ein wenig über essbare Produkte und deren Zubereitung zu plaudern. Unterlegt mit ein paar Anekdoten und bemüht nichts zu verkomplizieren. Denn vieles kann und wird bei so manchem Versuch auch schiefgehen. Was allerdings nie passieren darf – dass die Lust abhandenkommt.
Zum Abschluss noch ein paar Bemerkungen zu den Bildern, die meinen heutigen Beitrag zieren.
Sie dienen ausschließlich dazu, visuell zu veranschaulichen, wie ein sorgfältig zubereitetes Gericht auf dem Teller ausschauen kann. Zurückgegriffen habe ich dabei auf meine Sammlung aus der ehemaligen Hamburg Edition Gourmet, die ihr vierteljährliches Erscheinen leider schon vor vielen Jahren einstellte.
Eines kann ich allerdings versichern. Nichts von dem, was hier präsentiert wird, ist so kompliziert, als dass man sich nicht herantrauen dürfte.
English version:
A look at the plate and next to it

The first question that comes to mind when thinking about eating is probably something like this, or at least confusingly similar:
Why do we reach out for something to eat in the first place?
In any case, one thing seems to be indisputable: there is not just "the" one answer, to which every person asked would probably automatically fall back on.
"Because I'm hungry".
But it is the one that is used the most.
The moment our blood sugar starts to spike, we feel compelled to eat something satisfying as quickly as possible. This is an innate reflex, but one that carries many risks. Calming the ever-increasing hunger (but in a way that does not force the digestive tract to go on a rollercoaster ride from zero to one hundred) is an approach that perhaps deserves more attention.

But apart from the biological factor, there are also situations that lurk, almost inviting us to behave as if the greedy pest needs to be controlled now, and immediately. These are the situations that are determined by emotional, social or cultural influences. It could be the unrestrained consumption of crisps and chips during a sports broadcast. It could be a meeting with friends, where (after the third beer at the very latest) a takeaway pizza is just what you need, or a formal dinner where the boss wants to see satisfied faces. There, too, food will be eaten, even if the level of the reservoir does not yet indicate that there is an acute shortage.
Now, as I take a first, cautious look to the left and to the right before I enter the busy motorway of the food chain, I also see specimens with the "beehive symbol" rolling past me. These are the posts that are all characterised by the theme that is at the heart of today's post.
Often (perhaps too often) it is reduced to realisation:
The main thing is that it was filling!
This conclusion often tends to overshadow all the rest.
And why not, you might say? That was the point of the exercise.
Although this is a difficult argument to accept, I would like to try to explain why, in my case, it is not so easy to reduce it to this common denominator.
Growing up in a family steeped in rural culture, with an academically educated newcomer (who introduced himself to me as my father), the tangible things from the barn, garden and field determined what food ended up on the table each day.
It could have been worse for me - you might think.
I could agree with that, too. If it weren't for a few little things that have crept up on me over the years. The basis of our own experience is that diet-related reflux can be an unpleasant companion, something we can all sing a song about.
Since (just the thought of) starting the day with a slice of farmhouse bread with lard, blood sausage or liver sausage between the gills was enough to send a cold shiver down my spine, and the sweet alternative of butter and jam was boring in the long run, I prepared my own breakfast (muesli in all variations). Then it was off to school by foot and local train.

My faint hope that I would at least be able to wipe my mouth contentedly at the end of lunch quickly vanished into thin air. That was when the slices of bacon got lost under the scrambled eggs and the rest of the pig made itself comfortable on my plate next to the cauliflower and boiled potatoes.
This was one of the maximum punishments I was recklessly shovelled onto my plate!
When a huge pot of chicken broth, lots of vegetables and home-made noodles finally arrived on the table, my grandfather launched a ruthless attack on my taste buds by pouring some Maggi seasoning into the soup pot.
The guillotine of the taste buds par excellence!
After I left school, it was above all a refusal on my part that was the order of the day. And this in more ways than one. I had no great interest in agriculture, nor did I feel the need to go straight from the classroom to the lecture hall. And I certainly had no desire to be in the defence of Germany in the Hindu Kush or anywhere else in the world. I felt more like finally having solid ground under my feet. To be responsible for myself from A to Z.
And far away from an environment where human taste was completely neglected compared to the culinary well-being of animals.
But where to go when the sponsors of all the years since I was born also discover the concept of total denial for themselves?
Top of the wish list:
- definitely far enough away that the distance cannot be covered in a day by tractor or combine harvester.
- a job that will enable me to make ends meet from one month to the next.
- or better still, an employer who will provide me with a roof over my head.
- the ultimate - something good and cheap to eat every day.

That is why it is high up in the range of possibilities of the feasible – gastronomy in all its diversity. Luck happened to be on my side for a moment and washed me (literally) into a larger hotel in the upper price range. They were looking for an idiot who could be deployed anywhere and was available immediately without any illusory salary requirements. Since my job in the accounting department could be described as a "student job" and I didn't know anything about anything (especially what to expect), I found myself in a place that even gave me free board and lodging.
There is little need for a sense of happiness in a person.
All my internal clocks were "reset". My sports shoes were left unused (with a very few exceptions), and instead I slipped into my rubber boots in the morning. After that, I quickly made friends with a monster of a machine that was constantly hungry for dirty dishes, only to spit them out in new splendour a short time later. Looking back, I have to admit that it's not exactly a dream job. But it does give you the opportunity to be in constant, relatively close contact with the team responsible for the guest's taste experience.

For me, it was the beginning of an ongoing exploration of how to treat food, and what pleasure a carrot or a piece of leek can bring to the palate. However, I am firmly convinced that this is only possible if the product is treated with the respect it deserves, and that the delicate princess beans do not end up on the plate as a completely overcooked, grey conglomerate of ragged threads.
I can also put aside the prejudice that good chefs don't like to be watched while they work, and if they do, then only if they get paid. This stereotype may apply to the vain peacocks in white who never stop running their knife through the peeled onion in front of the camera, but not to those I have had the pleasure of meeting in my working life so far.
When I told the cooks that I would be happy to clean the odd pan or pot if there was time and no dirty crockery in the queue, the prejudices or fears (on my part) of contact between the sink area and the cooker began to dissipate. Cooks are generally responsible for their own crockery, so this was not an everyday occurrence. In return, I was patiently answered curious questions and (even more exciting) - I was allowed to taste what was being prepared.
The preparation, i.e. the setting of the course for a tasty meal, deserves at least as much attention as the final preparation. What has been forgotten or not bought, not refrigerated or not marinated, will not be available when you start to curse God and the world - even though they are not to blame.
So, over the coming weeks, I'm going to try to talk a little about edible products and how to prepare them. Accompanied by a few anecdotes and trying not to complicate things. Because a lot of things can – and will – go wrong in some of the experiments. The one thing that should never be the case, however, is the loss of desire.
Finally, a few words about the pictures that adorn my contribution today.
Their sole purpose is to illustrate visually what a carefully prepared dish can look like on the plate. I have drawn on my collection from the former Hamburg Edition Gourmet, which sadly ceased publication many years ago.
But I can assure you of one thing. Nothing presented here is so complicated that you should not dare to approach it.


