â Nein, das sind keine Slums, sondern lediglich eine Fischer Siedlung und du musst keinen Umweg zum Strand nehmen, spaziere einfach an den Bretter Buden vorbei, es passiert dir nichts! â
Skeptisch schaute er sein GegenĂŒber an, blickte hinĂŒber zu den provisorisch zusammengenagelten HolzhĂŒtten, packte seine Angel und marschierte Ă€ngstlich auf das vermeintliche Ghetto, hinter dem ein langgestreckter Strand zu sehen war, zu.
Es herrschte reges Treiben in der Siedlung, die MĂ€nner flickten ihre Netze und schauten kurz auf als der Fremde mit seiner langen Brandungsrute an ihnen vorbeilief. Die Frauen lĂ€chelten ihn an und wĂŒnschten ihm, so er es richtig verstand, viel GlĂŒck bei seinem Vorhaben dem Atlantik ein paar Fische zu entlocken.
Stunden spĂ€ter, es begann zu dĂ€mmern und erneut durchstreifte er das fĂŒr ihn ungewohnte Terrain, in der Hand ein Netz mit ca. 20 Wolfsbarschen, die Rute lĂ€ssig ĂŒber die Schulter gelegt und im Gang ein wenig aufrechter als noch kurz zuvor.
Drei MÀnner, jeder ein Bier in der Hand, kamen lÀchelnd auf ihn zu, zeigten auf seinen Kescher und reckten ihre Daumen in die Höhe.
â Robalo, muito bom â ( Wolfsbarsch, sehr gut ) sagte einer von ihnen und da der stolze Angler kein Wort von dem verstand was er da hörte, lĂ€chelte er ebenfalls und sagte vorsichtshalber mal â sim, obrigado â was nichts anderes bedeutete als ja danke, die so ziemlich einzigen portugiesischen Wörter die er beherrschte und zog weiter seines Weges.
Am Campingbus angekommen, die Liebste erleichtert und begeistert von seinen FĂ€ngen, bemerkte er das er seinen Tabak verloren hatte und keine Reserve mehr vorhanden war.
Er erinnerte sich an das kleine Lokal welches er bei den Fischern bemerkte und beschloss dorthin zurĂŒckzukehren um Kippen zu kaufen.
Die Sonne hatte sich mittlerweile zur Ruhe gebettet und im stockdunklen ging er zurĂŒck in die Siedlung, fand die Kneipe, aus der ein höllischer LĂ€rm nach drauĂen drang und öffnete die TĂŒr.
Plötzlich totenstille, alle Blicke waren kurz auf ihn gerichtet und als er sich Richtung Tresen bewegte begannen sich alle wieder zu unterhalten.
Er bestellte sich ein Bier und die Zigaretten, als ihn einer der anwesenden MĂ€nner einlud sich mit an den Tisch zu setzen, was er ohne Umschweife tat.
Zwei der Fischer am Tisch sprachen englisch, einer sogar etwas deutsch und so kam schnell eine fröhliche Unterhaltung in Gange, in der es unter anderem auch um seine gefangenen Fische vom Nachmittag ging. Es stellte sich heraus das es nicht alltÀglich sei, das ein AuslÀnder mit solch einem prÀchtigen Fang durch ihre Siedlung streifte und zur Anerkennung spendierte man ihm so manches Bier.
Die Zeit verging, die Zungen wurden schwerer und der Gang immer unsicherer.
Kurz bevor er das Lokal verlieĂ lernte er noch ein neues, fĂŒr ihn sehr wichtiges Wort in der portugiesischen Sprache, â minhoca â ( Wurm ).
Der Wurm wurde ihm als der beste Angelköder zum Brandungsangeln empfohlen und die Adresse wo er diese kÀuflich erwerben könne gleich mitgeliefert.
Nachdem man ihm versichert hatte das er jederzeit willkommen sei, verabschiedete er sich stark angetrunken von den portugiesischen Fischern und torkelte zurĂŒck zu seinem Bus, wo die wĂŒtende Freundin, vor Sorge ganz verzweifelt auf ihn wartete.
Tags darauf stand er vor dem Haus in dem es die Angelköder geben sollte, er hatte ein GeschĂ€ft erwartet, doch was er hier sah war ein kleines Wohnhaus. Er klopfte zaghaft an die TĂŒr und bemerkte das sie offen stand, klopfte etwas fester und vernahm eine Stimme von innen die etwas sagte was er nicht verstand. Nichtsdestotrotz trat er ein und staunte nicht schlecht als er sich im Wohnzimmer eines recht betagten Ehepaares wiederfand, das ihn neugierig vom Sofa aus betrachtete und darauf wartete das der Gast sein Anliegen zum Ausdruck brachte.
â Minhoca â rief er in den Raum, den Blick auf die zwei Alten gerichtet.
Beide begannen zu lachen, der Alte erhob sich vom Sofa und gab dem Eindringling zu verstehen ihm zu folgen.
Sie kamen in ein Zimmer, in dem sich nichts weiter als mit Algen bestĂŒckte Kisten befanden, in denen es vor WĂŒrmern nur so wimmelte. Der Alte zog eine alte Zeitung hervor, breitete sie auf dem Boden aus, griff in eine der Kisten, packte zwei volle HĂ€nde GewĂŒrm ins Blatt und rollte sie in die Zeitung ein.
â 150 Escudos â brummelte er, der KĂ€ufer zahlte, der Alte ĂŒbergab ihm sein PĂ€ckchen und sie verabschiedeten sich voneinander.
Am Abend kam der Angler mit ĂŒber 30 Fischen zum Bus zurĂŒck, bei seiner Freundin kam leichte Panik auf, was sie mit all dem Fisch anstellen sollten.
Er schnappte sich den Sack voll Fisch, ging ĂŒber die StraĂe wo sich ein kleines Restaurant befand in dem sie schon öfter gut zu Abend gegessen hatten, ĂŒberreichte die Beute dem Mann am Tresen und gab ihm zu verstehen das dies ein Geschenk sei. Dieser zeigte sich sehr verwundert ĂŒber diese Geste und schlug vor daraus ein fettes Abendmahl fĂŒr den Fischer und seine Frau zuzubereiten und den Rest anderweitig zu verkaufen.
Gesagt getan, wenig spĂ€ter speiste das PĂ€rchen gegrillten Wolfsbarsch, trank zwei Flaschen Wein dazu, nahmen auch das angebotene Dessert, den Espresso und den Cognac mit und verlieĂen schon leicht angetrunken, ohne zu bezahlen die GaststĂ€tte.
Dann nahm der stolze Fischer seine Liebste bei der Hand und steuerte in Richtung Fischer Siedlung, um dort noch einen Absacker in der Kneipe zu nehmen.
Dort wurde er begrĂŒĂt wie ein alter Freund, auch die MĂ€nner vom Vorabend waren wieder da und erzĂ€hlten das sie gegen Mitternacht in See stechen.
Da wurde der angelnde Urlauber hellhörig, schon lange wĂŒnschte er sich auch einmal auf See zu fahren und die Fische mit dem Netz zu fangen. Auf seine Frage ob er die Fischer vielleicht begleiten könne, brach lautstarkes GelĂ€chter aus. Das sei nichts fĂŒr Weicheier gab man ihm zu verstehen, das wĂŒrde er nicht durchhalten die ganze Nacht.
So tranken sie weiter, die Stimmung war gut und zwei Typen mit von der Sonne und Salzluft gezeichneten Gesichtern, rĂ€umten plötzlich den Tisch frei und begannen mit ArmdrĂŒcken, ein typisches MĂ€nnerspiel.
Gegen den Gewinner trat der nĂ€chste an und so ging das eine ganze Zeit, bis die Blicke plötzlich auf den AuslĂ€nder fielen. Dieser, der mit dieser Art des KrĂ€ftemessens nicht vertraut war zögerte erst, lieĂ sich aber berauscht vom Alkohol, zum Entsetzen seiner Freundin, dazu ĂŒberreden mitzumachen.
Sein Gegner war zwar kein HĂŒne, hatte aber Oberarme wie Arnold Schwarzenegger und in seinem Blick lag die Gewissheit den Neuen ohne Probleme platt zu machen.
Dies erwies sich fĂŒr ihn schwieriger als gedacht, das Greenhorn gab einfach nicht auf und bald hatte er die Aufmerksamkeit der gesamten Kneipe.
Nach etwas ĂŒber 5 Minuten gaben die beiden auf, keiner schaffte es den anderen zu besiegen und plötzlich trat der deutsch sprechende Fischermann an den Tisch heran, stellte sich als KapitĂ€n des in einer Stunde auslaufenden Bootes vor und lud den jungen deutschen Hobbyfischer dazu ein, sie auf ihrer nĂ€chtlichen Fahrt zu begleiten.
Auf den verdutzten Blick des Ăberraschten, reagierte er mit den Worten, â du bist kein Weichei mein Freund, du hĂ€ltst das durch. â
NatĂŒrlich hatte er recht behalten, auch wenn die nĂ€chtliche Arbeit an Bord des Schiffes noch einige Ăberraschungen fĂŒr den jungen Mann parat hielt.
Davon vielleicht spÀter einmal mehr.
Dies war ein Beitrag, im Rahmen des #WochenWahnsinn von @blue.rabbit, der seine Wahnsinns Daseinsberechtigung nicht nur im Inhalt der erzÀhlten und wahren Geschichte erhÀlt, sondern auch in der wahnsinnigen LÀnge des Geschriebenen.
Ich hoffe nicht ĂŒbertrieben zu haben.
Dank an diejenigen die es bis hierher geschafft haben und TschĂŒss!
Bis zum nĂ€chsten mal! đ