Auch wenn ich lieber über meine Erlebnisse auf den Philippinen oder andere erfreuliche oder zumindest interessante Dinge schreibe, sind meiner Meinung nach bestimmte politische Entscheidungen und Weichenstellungen in Deutschland m. E. so ungeheuerlich, dass ich sie, selbst als nicht mehr dort Wohnender, einfach nicht ignorieren kann und darf.
Der Besitz von Vermögensgegenständen im Wert von mehr als 100000 Euro gilt generell als verdächtig.
Heute Mittag stieß ich auf das Video "Neues Gesetz: MEGA Finanzamt soll alle Werte über 100k prüfen!" der Rechtsanwältin Patricia Lederer, in dem es darum geht, dass nach einem Gesetzentwurf vom 23.04.2024 aus dem Hause von Christian Lindner, dem Bundesfinanzministerium in Berlin, gemäß dem geplanten "Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz" jeglicher Besitzgegenstand im Wert von über 100000 Euro, egal ob z. B. Haus, Auto, Aktien oder Kryptowährungen, auf Verdächtigkeit hin überprüft werden soll:
Betroffen ist laut Gesetzentwurf:
1. jeder Gegenstand, gleich ob körperlich oder nichtkörperlich, beweglich oder unbeweglich, materiell oder immateriell, sowie
2. jeder Rechtstitel und jede Urkunde, die das Eigentumsrecht oder sonstige Rechte an Gegenständen nach Nummer 1 verbriefen,
dessen Wert 100 000 Euro übersteigt.
Bedenkliche Verdächtigkeitskriterien
Unter den, wie im Video zutreffend festgestellt, reichlich schwammig formulierten Verdächtigkeitskriterien halte ich insbesondere Folgende für äußerst bedenklich:
(2) Ein Vermögensgegenstand ist verdächtig, wenn ...
1. die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Person nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 reichen bei objektiver Betrachtung nicht aus, um den Vermögensgegenstand zu erwerben ...
...
3. der Gegenstand steht im Besitz oder in der Verfügungsbefugnis ...
...
c) einer natürlichen Person, die in geografischen Risikogebieten ansässig ist oder dort eine erhebliche Geschäftstätigkeit entfaltet ...
...
(3) Geografisches Risikogebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Staatsgebiet eines Drittlandes, ...
...
3. in dem kriminelle Tätigkeiten laut glaubwürdigen Quellen stark ausgeprägt sind ...
Verdächtig ist es unter anderem folglich, wenn Gehalt und Vermögen einer Person in den Augen des Bundesfinanzministeriums nicht in Relation zum Wert des erworbenen Gegenstands zu stehen scheinen (interessant, woher es überhaupt das exakte Vermögen jedes Bürgers zu kennen glaubt?).
Wer also nach Ansicht des Staats zu arm ist, um einen bestimmten Gegenstand legal erworben zu haben, muss sich - ohne die Notwendigkeit des Bestehens eines konkreten, begründeten Anfangsverdachts auf eine Straftat(!) - zukünftig rechtfertigen und den Nachweis der Herkunft des Geldes erbringen, mittels dessen er sein Vermögen erworben hatte.
Ebenfalls kritisch ist der Besitz von über 100000 Euro in einem "geographischen Risikogebiet" wohnender oder arbeitender Deutscher.
"Geographische Risikogebiete" sind Länder außerhalb der EU, in denen - neben anderen Kriterien - kriminelle Tätigkeiten "laut glaubwürdigen Quellen stark ausgeprägt sind."
Als auf den Philippinen Lebender müssten folglich nach Inkrafttreten des Gesetzes z. B. sowohl mein Condo als auch meine Bitcoins als verdächtige Vermögenswerte gelten, sofern das Bundesfinanzministerium das Land als Ort "stark ausgeprägter" krimineller Aktivitäten einstuft.
Der Verdacht würde also allein aufgrund des Wohnorts einer Person erhoben, ohne auch nur den geringsten Hinweis darauf zu benötigen, dass sie tatsächlich irgendetwas Kriminelles getan hätte - eine mittlerweile offenbar übliche Abkehr von der Unschuldsvermutung.
Letztlich werden Millionen von Bundesbürgern unter Generalverdacht gestellt.
Beweislastumkehr - der Nachweis einer Straftat ist nicht notwendig.
Der Nachweis einer Straftat wird dabei nicht mehr erforderlich sein: Sollte jemand den Verdacht nicht hinreichend entkräften können (Beweislastumkehr), wird das neue Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität über die Autorität verfügen, den entsprechenden Vermögensgegenstand auch ohne richterlichen Beschluss(!) zu beschlagnahmen, wobei das Abhören von Telefongesprächen, Öffnen und Abfangen persönlicher Post sowie Hausdurchsuchungen dann zulässig sein werden.
Die vor dem Inkrafttreten solcher Gesetze obligatorischen Stellungnahmen diverser Verbände, wie z. B. der Bundesnotarkammer (generelle Zustimmung), des Beamtenbundes (generelle Zustimmung), des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (der zuminest die 100000-Euro-Grenze monierte) und anderer, finden sich hier.
Es entbehrt sicherlich nicht einer gewissen Ironie, dass dieses Gesetz gerade einmal vier Wochen vor den Feierlichkeiten zu 75 Jahren Grundgesetz in Deutschland auf den Weg gebracht wurde ...