Hi Zusammen,
da ich das Thema für sehr wichtig und in den allgemeinen Medien für zu schnell abgebügelt halte möchte ich mit euch einen Artikel aus meinem monatlich versendeten Newsletter zum Thema Inflation teilen.
Definition
Grundsätzlich beschreibt Inflation im allgemeinen Sprachgebrauch die Entwertung von Geldwerten im Rahmen des Kaufkraftverlusts über die Zeit. D.h. ich kann mir für mein Geld morgen weniger Dinge kaufen als heute. Rein wissenschaftlich steht Inflation eigentlich nur für eine Steigerung der Geldmenge über die Zeit. Da diese Steigerung der Geldmenge aber in fast allen Fällen über die Zeit zu einer umgangssprachlichen Inflation, d.h. einer Geldentwertung führt, werden die Begriffe synonym verwendet.
Messung
Auch zur Messung von Inflation gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen und dann einen weiteren Unterschied zwischen der offiziellen Messung und der individuellen Wahrnehmung.
Die offizielle Messung wird durch i.d.R. staatliche Institute vorgenommen. Diese definieren einen breiten Warenkorb, der bspw. technische Güter wie Fernseher, Güter des täglichen Verbrauchs wie Brot, Energiepreise wie Strom und Benzin und weitere Kategorien enthält und deren Preisentwicklung über die Zeit erfasst. Um zu einer finalen Inflationszahl der Landes zu kommen, werden dann noch Themen wie der technische Fortschritt (Ist ein neuer besserer Fernseher einem alten TV in der Preisentwicklung gleichzustellen) berücksichtigt und die verschiedenen Kategorien untereinander gewichtet. Eine Gewichtung wird auch vorgenommen, um bewusst Preisauschläge einzelner Güter auszugleichen die nichts mit der Geldmengenentwicklung zu tun haben (bspw. wenn bei Missernten der Preis für Getreide steigt).
Wie ihr an den Kriterien erkennt ist damit die offizielle Inflation sehr definitions-/ und gewichtungs-abhängig. Wenn ich also möchte, dass die Inflation als besonders hoch oder als besonders niedrig gemessen wird habe ich als Staat durchaus Gestaltungsspielraum.
Der obige Gestaltungsspielraum ist einer der Hauptgründe, warum die individuell wahrgenommene Inflation häufig deutlich von der offiziell gemessenen Inflation abweicht. D.h. ich habe viel häufiger das Gefühl, dass Dinge sehr viel teurer werden als die staatliche Zahl mich glauben lässt. Außerdem hängt die individuelle Wahrnehmung der Inflation auch häufig mit dem eigenen Einkommen zusammen. Dies liegt daran, dass wenn ich sowieso nicht viel verdiene und Brot oder Miete um 5% steigen mir diese 5% deutlich mehr wehtun, als wenn die allgemeine Inflation bei 5% liegt und das an der Preisentwicklung von neuen Computern liegt.
Wie wirkt es sich aus
Um diese Unterschiede einmal bildlich darzustellen findet ihr in den folgenden beiden Grafiken zuerst die offizielle Inflationsentwicklung in Deutschland über die Zeit:
Wie ihr an der offiziellen Erfassung seht, ist der Wert der gemessenen und gewichteten Inflation über die Zeit drastisch gesunken. In den 70er und 80er Jahren gab es zwei massive Ausschläge der offiziell gemessen Inflation auf den Bereich 5-8% auf Basis der Ölpreiskrisen. Aber danach lag die Inflation insbesondere nach einem kurzen Peak zu Zeiten der Wiedervereinigung konstant bei oder unter 2%. Also im Einklang mit dem Ziel der Bundesbank und danach der EZB von 2-3% Inflation im Jahr.
Konkret könnt ihr das an einem Zahlenbeispiel erfassen. Wenn ihr 1950 ein Kopfkissen mit 10.000 DM hattet, für das man zu dieser Zeit zugegebenermaßen einiges kaufen konnte (der Preis für 1kg Weizenbrot lag zu der Zeit bspw. bei 0,46 DM). Wenn ihr dieses Kopfkissen mit 10.000 DM 2018 wieder gefunden hättet, wäre die Kaufkraft dieses Geldes über die Zeit auf den Gegenwert von 1.720 DM gesunken. D.h. die Inflation / die Geldmengenvergrößerung der Zentralbanken hat über einen Zeitraum von 68 Jahren euer Geld um ~83% entwertet.
Selbst wenn wir einen „freundlicheren“ Zeitabschnitt für unsere Auswertung nehmen ohne Ölpreiskrisen, wird das Bild nicht viel besser. Wenn ihr um die Wiedervereinigung im Jahr 1989 einen Notgroschen im Tresor von 10.000 DM hattet, dann ist bis 2018 der Gegenwert auf 5.835 DM gesunken. D.h. selbst in dem relativ kurzen Zeitfenster von 29 Jahren hat die Geldmengenvergrößerung 42% eures Werts vernichtet.
Obwohl wir also in den einzelnen Jahren relativ überschaubare Inflationswerte von 2-3% haben, die einen glauben machen, dass das nichts Schlimmes ist über das wir nachdenken müssten, sammelt sich über die Jahre ein massiver Kaufkraftverlust unseres Gelds an, den wir häufig gar nicht bewusst wahrnehmen. Dieser Kaufkraftverlust ist insbesondere für die eigene Altersvorsorge gefährlich, da unser heutiges gespartes ja auch in Zukunft für unsere Ausgaben herhalten muss.
Ergänzend zur offiziellen Inflationserfassung des Staates habe ich anbei auch mal die Entwicklung für 1kg Weizenbrot im Schnitt über die Bundesrepublik im Verlauf der Zeit rausgesucht, da das ein Produkt ist, bei dem wir alle sofort merken ob sich etwas am Preis verändert:
Wie ihr sehen könnt ist die Preisentwicklung dieses „Grundlebensmittels“ über die Zeit nicht nur in Ausschlägen sehr viel höher als die offizielle Inflation (z.T. hoch bis auf +25%) sondern auch in fast jedem Einzeljahr eher über 2-3%. Natürlich gilt es dabei zu bedenken, dass hier Themen wie Niederschläge, Dürren, Krisen, Entwicklung der Nachfrage und noch viele Themen mehr in die Preisentwicklung reinspielen. Was ja der Grund für die Gewichtung es Staates ist.
Aber wenn wir mal ehrlich sind, ist mir persönlich die Begründung des Preisanstiegs doch völlig egal.
Wenn ich 1951 für 1kg Weizenbrot noch 0,47 DM zahlen musste und der Preis für das gleiche 1kg Weizenbrot 2015 bei 4,05 Euro liegt ist das einfach massiv. Der Preis ist damit über 66 Jahre um 1.661% gestiegen, d.h. 1kg Weizenbrot kostet heute knapp 17x so viel wie 1951. Das muss man sich eigentlich mal geben…im Vergleich zur offiziellen Inflation, die einen Faktor von knapp 6x höheren Preisen ausweist über 69 Jahre ist Brot als relevantes Grundnahrungsmittel damit im Preis deutlich stärker gestiegen als ein breiter Warenkorb.
Besonders gravierend wirkt sich dieser Unterschied jetzt natürlich für Menschen aus, die im Rahmen ihres Einkommens deutlich genauer auf ihre Ausgaben achten müssen. Wenn ich heute 30% meines Einkommens für Grundnahrungsmittel aufwende, trifft mich eine Preiserhöhung dieser Grundnahrungsmittel deutlich stärker, als wenn ich relativ viel verdiene und nur 10% meines Einkommens dafür ausgeben muss. D.h. die wahrgenommene Inflation wird auch deswegen berechtigt höher eingeschätzt weil sie ärmere Menschen stärker trifft. Wenn in der staatlichen Inflationsmessung der Preis eines neuen TVs einfließt, wird das ein Gut sein, das Menschen mit geringeren Einkommen sowieso eher selten neu kaufen.
Warum sollte mich das interessieren
Unabhängig von der eigenen Einkommenshöhe sollte es jeden deswegen interessieren, da die Inflation und Geldentwertung über die Zeit massiven Einfluss auf eure Vorsorge für die Rente nehmen. Wer heute Geld zurücklegt um im Alter davon zu leben (ob es die gesetzliche Rente oder private Vorsorge in welchem Rahmen auch immer ist sei mal offen gelassen), muss gegen die Inflation arbeiten.
Wer sich auf die gesetzliche Rente verlässt, dem hätte die Rente je nach gesetzlicher oder individueller Betrachtung im Zeitraum seit 1989 um 56% bzw. sogar noch mehr gesteigert werden müssen. Wenn ihr die dokumentierten Rentensteigerungen des Rentenbasiswerts von 1990-2018 ohne den abstrusen Ost/West Unterschied auswertet, kommt ihr auch genau auf eine Steigerung von 56% (zumindest in Westdeutschland). D.h. die bisherigen Rentenanpassungen des Rentenbasiswerts haben die offizielle Inflation ausgeglichen.
Wenn ihr jetzt noch berücksichtigt, dass ihr in der gesetzlichen Rente mit Sicherheit weniger Geld zur Verfügung haben werdet als ihr heute verdient, dann nimmt automatisch der Anteil eures Budgets für Grundnahrungsmittel zu. Damit trifft euch die individuell wahrgenommene Inflation dieser wichtigen Güter, die deutlich schneller teurer werden als die offizielle Inflation, umso härter.
Fazit
Da wir leider keinen direkten Einfluss auf die Entscheidungen der Zentralbanken in der Geldmengenschaffung nehmen können und diese insb. in den letzten Jahren Geld ins System pumpen, dass einem schwindelig wird, kann ihr nur sagen, dass es wichtig ist Inflation zu verstehen und sich Gedanken zu machen inwiefern bisherige Vorsorgemaßnahmen ausreichen oder überdacht werden müssen
Vielen Dank fürs Lesen des doch recht langen Texts. Über Kommentare / eure Einschätzung des Themas oder auch einen Upvote für die Aufbereitung freue ich mich natürlich sehr.