Das Christkind hält sich selten an festgeschriebene Termine

Vorab: Ich weiß, dass es viel Text ist. Doch lässt sich das mit dem Christkind nicht in vier Sätze packen.
Die Mail hatte, zugegebenermaßen, das volle Programm im Gepäck, was eine Nachricht benötigt, um von mir übersehen zu werden. Es nahm seinen Anfang damit, dass sie sich in den Spam-Ordner verirrt hatte. In die obskure Schatztruhe, in der sich die Informationen tummeln, die noch unnötiger als ein Kropf und trotzdem Tag für Tag präsent sind. Viagra aus Kanada, Ella aus Bocholt verspricht, sie mache es mir wie keine sonst oder der agile Typ, der sein Interesse an meinen PayPal-Daten zeigt – selbstverständlich einzig zu meiner eigenen Sicherheit, wie er es mit extra großen Buchstaben zu unterstreichen versucht! Exakt dort, in diesem Moloch der Peinlichkeiten, hatte es sich die besagte Mail gemütlich gemacht. Auch die Betreff-Zeile und der Absender deuteten nicht darauf hin, es könne sich hier um einen Irrläufer handeln.
Betreff: Anfrage.
Absender: Christkind
Genau darauf hatte die Weltbevölkerung gewartet. Kaum im fünften Monat des Jahres angekommen, meldet sich das Christkind bei mir mit einer Anfrage. Im ersten Augenblick tippte ich in die Richtung, bei diesem Christkind könnte es sich um die Cousine von Ella aus Bocholt handeln, die mir ständig die verschiedensten Köstlichkeiten in und unter ihrem Weihnachtskostüm verspricht.
Ich weiß wahrhaftig nicht mehr, was mich in jenem Moment geritten hat? Denn trotz aller aufflammenden Bedenken, öffnete ich die Mail.
Üblicherweise verhält es sich in meinem Leben so, dass Tage, die mich mit positiven Überraschungen begrüßen, äußerst selten aus dem Schlafanzug schlüpfen und obendrein geduldig auf mein Auftauchen warten. Dieser Tag, Anfang Mai, schien es wirklich gut mit mir zu meinen.
Denn das Christkind meldete sich nicht, wie eigentlich befürchtet, aus Bocholt – sondern aus Mannheim. Außerdem entpuppte sich die »Anfrage« als das, was der Begriff allgemein auch verspricht.
Zusammengefasst lief es darauf hinaus, dass jemand bei uns zwei Wochen Ruhe und Erholung tanken und nebenbei endlich eine begonnene Doktorarbeit zu Ende bringen wollte. Warum man für ein derart profanes Anliegen in die Rolle des Christkindes schlüpfen musste, blieb mir zwar nach wie vor schleierhaft, gleichwohl überwog letztlich die Aussicht auf eine willkommene, dazu unversteuerte Nebeneinnahme. Unter solchen Voraussetzungen ist bei mir sogar der Nikolaus im Juli willkommen.
Fast auf den Tag genau stand einen Monat später das Empfangskomitee in dem Bereich des Zagreber Flughafens, in dem einströmende Reisende begafft, ignoriert oder bestenfalls begrüßt werden können. Da ich mich ganz nebenbei liebend gerne zum Deppen mache, fiel mir die Aufgabe zu, das Schild mit der Aufschrift „Warten auf das Christkind“ vor meine Brust zu halten. Und dann stand sie plötzlich da, streckte uns eine zierliche Hand entgegen und sagte: »Ich glaube hier richtig zu sein. Ich bin Antje.«

Mir fiel so etwas wie ein Stein vom Herzen.
Zum Glück nichts Außerirdisches, sondern eine junge Frau mit möglicherweise einem unverhohlenen Faible fürs Christliche.
Der Rucksack landete im Kofferraum und das Christkind, mitsamt ihrem ins Gesicht geschriebenen Lächeln, auf der Rückbank unserer Luxuskarosse nahe dem Oldtimer-Status. Im krassen Gegensatz zu meiner Beifahrerin, die in ständigen Blickkontakt zu unserem Gast schien und ohne viel Aufhebens nebenbei den verbalen Austausch auf Trab hielt (für Frauen eine der leichtesten Übungen), konzentrierte ich mich auf den Verkehr und beschränkte mich mehr aufs Zuhören und den gelegentlichen Blick in den Rückspiegel.
Spätestens auf der Autobahn stellte ich mir erstmals die Frage, wie das Bild vom Christkind, an dem ich all die Jahre zuvor fleißig gebastelt hatte, jetzt mit dem übereinstimmt, was da eben am Flughafen auf uns zukam und nun verhältnismäßig nahe hinter mir sitzt.
Früher war ich mir recht sicher, dass ein Christkind zeitgleich ein Engel sein sollte und aus diesem Grund nie ohne Flügel vor die Tür geht. Auch wenn dieser Wunschvorstellung nicht entsprochen werden muss, kann es sich hier unmöglich um einen richtigen Engel im christlichen Auftrag handeln.
Mit siebzehn Jahren wurde mir zwar anschaulich unter Beweis gestellt, dass irdische Engel durchaus in der Lage sind, ihre Flügel auch an vollkommen anderer Stelle ausbreiten, als dort, wo ich sie ursprünglich erwartete. Wenn die Engel von damals mich ohne viel Aufhebens ihre Flügel berühren ließen, war ich mir sehr sicher, an einem himmlischen Gefühl teilhaben zu dürfen.
Nicht nur aus genanntem Grund haben sich meine Vorstellungen dieser göttlichen Wesen mit dem Älterwerden schleichend gewandelt. Anhand der gesammelten Erfahrungen war mir auf Anhieb sicher, ein Exemplar wie Antje noch nie auf dem Schirm gehabt zu haben. Was gewiss null und nichts mit ihrem äußerlichen Erscheinungsbild zu tun hatte. Es waren eher der Rucksack und die Wanderschuhe, die mich leicht irritierten.
Ein Christkind sollte meiner Meinung nach leichtfüßig daherkommen und außerdem reisen Engel stets ohne Gepäck! Der Rucksack gehört eindeutig zu dem Schwergewicht mit der Zipfelmütze, dem Bart und rotem Mantel.
Zu Hause angekommen, bot sich mir erstmals die Möglichkeit, Antjes engelhaft, christliches Fahrwerk aus der Nähe zu betrachten, da sie die Stufen hoch in Richtung Terrasse erklomm, während ich drei Meter dahinter, mit einem schweren Rucksack beladen, den inneren Scanner aufwärmte. Eine erste vorsichtige Schätzung ergab, dass aus den Wanderschuhen noch ein circa 1,60 m hoher Körper herausgewachsen war. In dieser Schätzung noch einbezogen, die maximal 45 kg, die das Christkind dem unbestechlichen Zeiger auf der Wage zu entlocken dürfte.
Was fiel mir noch auf?
Verwaschene Jeans, ein buntes T-Shirt, verdeckter Büstenhalter und ein witziger, frecher Kurzhaarschnitt. Ähnlich dem von Laurie Anderson oder Jane Birkin. Aus dieser Perspektive, da herrschte zwischen meinen Sinnen Einigkeit, ein Christkind, mit allem, was dazu gehört – außer halt den Flügeln. Die vermutete ich nun im Rucksack. Bei dem Gewicht des tragbaren Reisebegleiters hielt ich ein Irrtum in meinem Denken für nahezu ausgeschlossen!

Jetzt folgen ein paar Daten für alle Statistiker, die einen künftigen Umgang mit einer solchen Erscheinung wie Antje erleichtern könnten.
Ein Christkind trinkt Tee anstatt Kaffee, versucht sich vegan zu ernähren, nimmt es mit der Umsetzung allerdings nicht ausgesprochen genau, verfügt über ein schönes Lächeln und weiß nichts über Fußball. Damit ist eindeutig der Beweis erbracht, dass ein Christkind im Grunde genommen explizit wie so manch anderes attraktive Geschöpf zu sein scheint, welches in früheren Jahren meine Wege kreuzte – lediglich eine Winzigkeit von der Norm abweichend.
Und (wenig verwunderlich) viel anders als ich, der den Mokka aufbrüht, die Rostwurst mit Senf, eingepackt im frischen Brötchen, einst hochoffiziell ehelichen wollte. Dieses Vorhaben scheiterte lediglich an einem sturen Standesbeamten. Und, was die Kompetenz betrifft, grundsätzlich Bundestrainer für die meisten Sportarten sein müsste (abgesehen von Boxen und Minigolf).
Es dauerte keine zwei Tagen, da stellte sich bei uns das Gefühl ein, keinen Gast im Haus zu beherbergen, sondern schien es eher, als sei die Familie plötzlich um ein Mitglied angewachsen. Wenn man es sich richtig überlegt, hat es etwas sehr Praktisches, in der Familie ein Christkind zu wissen. Die Frage am Heiligen Abend, ob das Christkind es rechtzeitig bis zur Bescherung schaffen wird, hat sich damit automatisch erledigt. Außerdem kann ein familiärer Kontakt zu Antjes Erfinder und Ziehvater wohl kaum von Nachteil sein.
Allerdings erreichte ich hier definitiv den Punkt, wo es für mich nachzuhaken galt. Wie sieht das überhaupt in vollem Umfang mit den Familienstrukturen eines Christkindes aus und wieso wohnt ein solch edles Geschöpf in Mannheim? Ein ideales Thema für unsere abendlichen Sitzungen, die wir überwiegend bei einem Glas Rotwein in der Küche zelebrierten.
Meine Hoffnungen sollten nicht enttäuscht werden. Nicht ganz unschuldig daran, mit Sicherheit die kleine Portion Alkohol, mit der Antje in Plauderlaune geriet und mir so sukzessiv die Tür in ihr privates Reich öffnete.
Um gleich vorweg einige in die Irre geleiteten Meinungen vom Tisch zu fegen, sei gesagt, der Vater von Antje ist weder Gott noch Jesus. Somit können vorzeitig zwei historisch anerkannte Herumtreiber von der Liste der Verdächtigen gestrichen werden.
Unser Christkind konnte nämlich glaubhaft versichern, ihr Vater hieße Robert und habe bis zu seiner Pensionierung bei den Stadtwerken in Oberhausen gearbeitet. Die Mutter, vom Papa situationsbedingt Mama oder Irmtraud genannt, liebt Königsberger Klöße und noch mehr ihre Familie.

Zu dem Job als Christkind kam Antje eigentlich eher durch einen Zufall. Es war in den Vorbereitungen zur Weihnachtszeit, als die Kindergarten-Tante die kleine Antje auf ihren Schoß nahm und die Frage an sie richtete, die ihr komplettes Leben verändern sollte:
»Antje, was hältst du davon, wenn du in diesem Jahr das Christkind spielst?«
Die in dieser liebevollen Art Hofierte dachte kurz nach, kam dabei mit sich selbst und den angeborenen hellseherischen Fähigkeiten überein, dass für die nächsten Wochen weder das unsterblich Verlieben noch ein Ausflug in den Duisburger Hafen auf ihrem Plan standen und sagte somit kurzerhand zu.
Bereits im direkten Anschluss an die Aufführung, bei der nicht ausschließlich die Eltern der Kinder, sondern ebenso (zwar vollkommen im Hintergrund und daher schlecht auszumachen) eine kleine Abordnung aus dem diplomatischen Corps der himmlischen Gemeinschaft anwesend war, die solche Ereignisse stets nutzten, um Ausschau nach neuen Talenten zu halten, herrschte Einigkeit darüber, was den Auftritt des Christkindes betraf. Diese Figur hatte eine solche Ausstrahlung, dass selbst Antjes Oma Tilly ihre Tochter zwischendrin fragen musste, ob die Kleine da vorn auf der Bühne echt sei oder sie vielleicht doch einen Tick zu lange am Klosterfrau-Melissengeist geschnuppert habe?
Am ersten Sonntag nach dem Feiertag zu Ehren der Heiligen Drei Könige sprach Pfarrer Blaumeier Antjes Mutter nach dem Gottesdienst an und servierte ihr gänzlich ohne trockene Hostie und Weißwein die Botschaft, die sein Ideengeber, geistiger Vater und Wegbegleiter durch das Alte und Neue Testament ihm hat zukommen lassen. In einem Satz zusammengefasst wollte der Chef wissen, ob Antje nicht an einer Ausbildung als Christkind interessiert sei.
Neben dem göttlichen Segen stünden der Familie dann ab sofort finanzielle Entschädigungen für das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel (zumindest bis die Tochter das Fliegen nicht erlernt hat) und den Ankauf weiß geprägter Kleidchen mit einem wenig vorteilhaften Schnitt in der Taille. Nach einer kurzen Verhandlung, die mit dem Resultat endete, dass die Familie darüber hinaus monatlich mit Kapern und Hackfleisch versorgt wird, besiegelten Irmtraud und der Pfarrer Antjes berufliches Schicksal.
Was ich nun zu hören bekam, das muss ich ohne Einschränkung zugeben, beeindruckte mich dann bis in die unmittelbare Nähe meines überaus sensiblen Rückenmarks. Bis zum Abschluss der Mittleren Reife gelten demnach alle himmlischen Auszubildenden als Laien-Christkind. Erst mit diesem Abschluss rückt man auf zum Christkind und erscheint fortan auf der göttlich frei beeinflussbaren Gehaltsliste. Der weitere Werdegang wird dann bestimmt von der jeweiligen Interessenlage.
Es sollte daher niemanden verwundern, wenn am Heiligabend ein Christkind unter einem Weihnachtsbaum sitzt und behauptet, in ihrer Freizeit an der Käsetheke bei EDEKA zu stehen. Andere schneiden lieber Haare oder reparieren Zylinderkopfdichtungen. Wie zuvor erwähnt, all das wird in der Freizeit praktiziert, da Gott, was die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens betrifft, ein wahrer Fuchs zu sein scheint.
Dann gibt es darüber hinaus noch die himmlischen Boten, die sich für die gehobene Laufbahn entscheiden, da zweifelsohne Steuerfachleute, Juristen und Experten für Luft- und Raumfahrttechnik im Raum zwischen Traum und Wirklichkeit stets dringend benötigt werden. Antje hatte sich für die gehobene Laufbahn entschieden, dabei allerdings den Paragrafen, Tabellen und Formeln die kalte Schulter gezeigt und sich für ein Studium entschieden, das sie automatisch zum Bindeglied zwischen der Chefetage und den hoffnungsvoll Gläubigen werden ließ.
Dafür benötigte sie den Abschluss in den Fachgebieten Psychiatrie und Psychotherapie, am besten mit einer möglichst nicht abgekupferter Dissertation, an welcher Antje seit geraumer Zeit und insbesondere augenblicklich mit Hochdruck arbeitete.
Diese Einblicke, die mir unser eingegliederter Feriengast an jenem Abend lieferte, waren natürlich Wasser auf die Mühlen der Kreatur, die von sich behauptet, mit der ausgefeilten Skepsis gegenüber allem nicht Greifbarem auf du und du zu stehen und sie möglicherweise gar erfunden zu haben. Logischerweise drohte kurzfristig der Festband meines Fragenkatalogs, das zu verlieren, was ihm einst seinen Namen verlieh – nämlich die Form. Denn dermaßen hatte er sich aufgebläht. Also ein typischer Hefe-Effekt im Freudschen Kontext ohne zusammenhängenden Sinn und Verstand.
All die sorgsam gehegten Vorurteile nicht berücksichtigend, agierte die Expertin für Instabilität im Seelenbereich gegenüber dem größten Skeptiker unter dem heißesten aller Planeten mit Nachsicht und sorgte ganz nebenbei für etwas Aufklärung.

Das Christkind mit dem Wirkungsbereich in der Psychiatrie ist, und das macht die Sache (realistisch betrachtet) reichlich ermüdend, ganzjährig im Einsatz, da an irgendeinem Ort auf dieser Welt immer mal bei irgendwem eine Schraube locker sitzt. Wie ich inzwischen weiß, ist der Bedarf an fachlicher Kompetenz in diesem Bereich unter angehenden Christkindern besonders hoch.
Oft ist der Auslöser die Nichtübernahme vom Laien-Status in den Berufs-Modus – sozusagen in die Festanstellung. Die Gründe für eine Ablehnung sind vielfältig. Antje erzählte mir von einem Laien-Christkind, das es einfach nicht fassen konnte, dass das Rollen einer imposanten Tüte zwar eine handwerklich beachtenswerte Fähigkeit darstellt, alleinstehend indes nicht ausreicht, den Sprung in den Profibereich zu schaffen.
Andere bekommen, meist wegen motorischer Störungen, es einfach nicht gebacken, zu einem routinemäßigen Rundflug zu starten. Das mit den Flügeln scheint ohnehin ein spezielles Problem darzustellen. Da gibt es nämlich zuweilen Exemplare unter den Christkindern, die der Oma und dem Opa unbedingt vorführen wollen, was sie schon alles gelernt und fliegen höchstpersönlich zu Geburtstagen im Juni ein und liefern üppige Geschenke ab, die sie aus dem Weihnachtspott abgezweigt haben.
Dann existieren Exemplare, die machen einen vor den Freunden auf dicke Hose, stellen sich auf die Autobahnbrücke und sind kurz davor den Bungee-Sprung ohne Seil zu demonstrieren. Da hilft dann bloß noch der Einsatz der Experten mit dem Schraubenzieher. Die häufigste Antwort auf die Frage an solche Kandidaten, warum man schlechterdings überhaupt auf eine solche Idee kommt und diese dann konsequent in die Tat umsetzt, lautet dann: »Ich dachte, Gott wird es mit Sicherheit richten.«
Manche und das passiert leider sporadisch, glauben weder dem Fluglehrer noch dem herbeigeeilten Christkind mit Doktortitel. Dass Gott nicht überall sein kann, das bemerken sie dann vornehmlich, wenn sich das mit Sicherheit als Trugschluss herausstellt.
Nach diesen Schilderungen war mir klar, wieso Antje, das Christkind, unbedingt eine Auszeit vom anstrengenden Job nehmen musste. Und wo lässt sich das besser in die Tat umzusetzen, als in meinem Umfeld, in das ich ungern eine andere Meinung und auf keinen Fall schlechte Laune einkehren lasse. Das mit der anderen oder gar konträren Meinung gelingt mir zwar höchst selten, woran ein Gefühlskonglomerat, in dem Liebe, Zuneigung und Ehe eine nicht unwichtige Rolle spielen, schuld sein mag, andererseits sind der fröhlichen Stimmung kontinuierlich Tür und Tor geöffnet.
Das wusste natürlich Antje zu schätzen, setzte sich jeden Mittag unter den Apfelbaum und entflog in Sphären, in die ausnahmslos gebildete Christkinder aufsteigen können. Sie nannte es Meditation. Mein Hund (der das Schauspiel an jedem Tag aus nächster Nähe betrachtete) und ich einigten uns dagegen auf die Erklärung, dass Antje garantiert Zugriff zu einer Sorte Gras hat, die zukünftig unbedingt auf meinem Balkon heimisch werden sollte.

Bevor wir unser Christkind dann erneut den Flügeln von Eurowings übergaben, speicherte ich noch einige Dinge auf meiner inneren Festplatte ab, die im Umgang mit diesen himmlischen Wesen zu beachten sind.
• Egal wie lästig und unangenehm Mücken zeitweise sein können, trotzdem sollte im Beisein eines Christkindes davon abgesehen werden, die Quälgeister mittels einer Fliegenklatsche auf der Tischplatte oder an der Wand flach zu schlagen. Diese fürsorglich gedachte Geste kommt nicht sonderlich gut an.
• Obwohl Christkinder allgemein zwar durch ihre Erscheinung zu glänzen vermögen, verzichten sie meist völlig auf Kosmetika, welche überdosiert eingesetzt obendrein zur Typenveränderung beitragen könnten. Vornehme Zurückhaltung ist in diesem Bereich angesagt. Wenn dann am Morgen unerwartet, unzweideutig die kleinen, goldenen Ringe am Ohr baumeln und ein Hauch von Lidschatten zu erkennen ist, sollte auf ein Kommentar, wie er mir über die Lippen kam, verzichtet werden.
»Antje, was ist passiert? Machst du heute einen auf Weihnachtsbaum?«
Der strafende Blick und die Gesichtsfarbe des Christkindes bedurften keines weiteren Kommentars.
Das ist also meine Weihnachtsgeschichte. Ich hoffe nicht gelangweilt und in Bezug auf das Christkind für etwas mehr Klarheit gesorgt zu haben.

