Abschnitte und Konserviertes aus dem Leben des Kalle Banich - 1. Teil hier
Die Jugendzeit – Bis zur Bankenkrise
Ida Banich, ganz regelkonform der gesetzlich verankerten Erziehungsverpflichtung, entließ Kalle in dessen sechsten Lebensjahr in die Obhut mäßig ausgebildeter Pädagogen. Ein vorbildliches Verhalten der Mutter, welches aber das zuständige Kultusministerium annähernd 40.000.- Euro kosten sollte.
Der gerade amtierende Schulleiter war, und da hatte er die Rückendeckung des gesamten Kollegiums, erst dann zur Aufnahme des Grundschülers Kalle Banich zu bewegen, nachdem alle Wände des Gebäudes mit Stahlbeton ausgekleidet und die Fenster mit schusssicherem Glas versehen waren.
Der Rektor verwies in seinem Antrag beim Innen/Kultusministerium auf die außergewöhnlich hohen Reparaturkosten nach explosiven Experimenten, die allein während der verhältnismäßig kurzen Verweildauer anderer Mitglieder der Familie Banich an dieser Lehranstalt zu verzeichnen waren.
Die im Anhang detailliert aufgelisteten Zahlen machten es dem zuständigen Staatssekretär relativ leicht, die Kostenübernahme sofort und ohne lange parlamentarische, oder gar bürokratische Wege zu genehmigen.

Bestätigt durch den Bericht des Landesrechnungshofes, einige Jahre später veröffentlicht, war diese Investition so überflüssig wie das Ausstatten der örtlichen Verwaltung mit einem digitalen Netzwerk inklusive automatischer Weckanlage.
Ein kurzfristig einberaumter Ortstermin (so die Revisoren der öffentlichen Buchführung) bei der städtischen Verwaltung hätte ausgereicht, um zweifelsfrei zu erkennen, dass die tägliche Ausgabe von drei Kästen Freibier an die darbende Bevölkerung dem Gemeinwohl besser getan hätte.
Kalle Banich war nämlich meilenweit davon entfernt, die Statik der Lehranstalt auf Herz und Nieren zu überprüfen. Er präsentierte sich als ein junger Mann, dessen Wissbegier nicht nur die Lehrer überraschte. Auch seine Mitschülerinnen waren von der Vielfalt der Möglichkeiten angetan, mit denen Kalle herauszufinden versuchte, aus welchem widerstandsfähigen Material ihre Wäsche beschaffen war, die üblicherweise nahe an der Haut getragen wird.
Schon sehr früh war er ein strenger Verfechter der praxisbezogenen Handhabung, jemand, der weder den Materialangaben noch einem Preisschild Glauben schenkte. Es sei denn, man hätte die Daten selbst manipuliert, um lebenslang davon zu profitieren.
Den ersten Wettbewerb für nachvollziehbare Mathematik im Alltag gewann Kalle zugegebenermaßen noch mit der fürsorglichen Unterstützung seiner Brüder. Denn die gingen selbstverständlich davon aus, wer kann es ihnen bei ihrer Biografie verdenken, dass Kalle sich reibungslos dem auffällig niedrigen Bildungsniveau der restlichen Banich-Gang anpasse.
Diese fälschliche und voreilige Annahme veranlasste das geistig minderbemittelte Pack, bei der Jury diskret und rücksichtsvoll mit ein paar Telefonanrufen und angekündigten Hausbesuchen den Ausgang der Veranstaltung vorherzubestimmen.
Bereits im zweiten Jahr bewegte Kalles Theorie, 2∑i=1n ai ∫ab fi(x)gi(x) dx habe nur unwesentlich etwas damit zu tun, ob zum Mittagstisch neben dem angebrannten Spiegelei, noch zusätzlich Spinat oder Karotten gereicht würden, den damaligen Dekan der Universität Heidelberg zur überhasteten Flucht in den vorzeitigen Ruhestand.

Der einst strebsame Naturwissenschaftler hatte nämlich mit seiner Behauptung, dass das Waschen und Föhnen von Hauskatzen ohne die Einbindung dieser Formel ganz undenkbar sei, dem Staat jahrelang viel Geld in Form von Subventionen für seine Fakultät abgezwackt. Ganz zu schweigen von den Schmiergeldern der Haustierlobby, die auf wundersamen Wegen in seine Tasche geleitet wurden.
Auch Kalles Abhandlung über den Einfluss verschiedenster sexueller Praktiken auf der heimischen Federkernmatratze, in Bezug zu dem regelmäßigen Erscheinen von Protagonisten aus der biblischen Geschichte des Neuen Testaments am Bierstand des Tennisvereins in Marpingen, brachte ihm weltweite Anerkennung und einen bereits mit erregendem Aroma beträufelten Damenslip ein.
Hierbei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es sich die Heilige Maria nicht nehmen lässt, in unregelmäßigen Abständen (aber immer zu später Stunde) in dieser kleinen saarländischen Gemeinde am Bierstand des Tennis-Clubs aufzutauchen.
Während Kalles Werdegangs gab es auch Rückschläge zu verkraften. Unvergessen hierbei seine provokante Behauptung, Goethe sei in Person von Marcel Reich-Ranicki wiedergeboren. Ob als gezielte Vermessenheit in die literarische Runde geworfen, oder als auf wackligen Beinen stehende These einfach so in die Welt gesetzt – Kalle Banich hat sich zu diesem Thema nie mehr geäußert.
Vielleicht lag es daran, dass ihm diese Publikation kein Lob, sondern nur eine unübersehbare Zahnlücke einbrachte. Lediglich die Ankündigung, die These nochmals sorgfältig zu überdenken, konnte den einzigen ortsansässigen Zahnarzt (zu allem Überfluss auch noch ein glühender Verehrer der Charlotte von Stein) von seiner standhaften Weigerung abbringen, Kalles Gebiss wieder zu vervollständigen.
Kurz vor dem angestrebten Abitur ließ Kalles Forscherdrang allerdings in merklichem Maße nach. Ein Umstand, der unbestreitbar darauf zurückzuführen war, dass seine emotionale Zuneigung zu einer gewissen Heidemarie Welsch enorm an Bedeutung zunahm. Ja, Heidemarie Welsch, genau die, die seit Beginn des Schuljahres den Platz neben Kalle im Klassenzimmer eingenommen hatte. Eine Konstellation, die Kalle, auch aus dem schlechtesten Blickwinkel betrachtet, zu keiner Zeit als unangenehm empfand.
Dank seiner überzeugenden Rhetorik konnte er Heidemarie während des laufenden Schuljahres davon überzeugen, sich immer öfter aus den Zwängen ihrer elastischen Unterwäsche zu befreien. Allein schon deshalb, um den seit mehreren Wochen andauernden Zungenspielen einen zusätzlich prickelnden Effekt beizumischen.
Nach diesen erotischen Episoden, die wenig später ganz im Zeichen reichlich gewagter Turnübungen im Hause Welsch standen, konnte sich Kalle der Zuneigung seiner Heidemarie kaum noch erwehren. Diese Exzesse nahmen solche Ausmaße an, dass Heidemarie inmitten der Chemiestunde durch unmissverständliches Handauflegen einen schnellen Beweis seiner Liebe und der unstillbaren Sehnsucht einforderte.
Diese Spezialkür übte Kalle jedoch nur bis zu dem Moment aus, als er von der hartnäckigen und gleichzeitig panischen Vorahnung erfasst wurde, diesen ganzen Beziehungsdampfer schon in den Hafen der unendlichen Qual einlaufen zu sehen.
Allein die gedankliche Auseinandersetzung mit dem imaginären Bild, welches das auf wundersame Art und Weise wiedervereinte Paar Ida und Olle Banich zeigte, zerschmetterte bei Kalle je dagewesenes Interesse an festen Beziehungen. Darum bat er händeringend einen Mitschüler, seinen Platz neben Heidemarie einzunehmen. Ein, wie sich noch herausstellen sollte, in seiner ganzen Tragweite unvorhersehbarer Fehler des Multitalents.
Große Teile der Männerwelt trauern heute noch. Denn Heidemarie ließ von dieser Stunde an nie mehr ihre dehnbare Unterwäsche für einen Mann so lasziv, und dabei noch gespielt achtlos, zu Boden gleiten.
Kalle juckte dies nur peripher. Auf andere Art formuliert: Es interessierte ihn schlicht und einfach nicht. Er zog es vor, sich stattdessen mit einem Problem zu befassen, dessen akuter Bedeutung er erstmals gewahr wurde, als er mehrere Kisten Sprengstoff akkurat gestapelt im elterlichen Hausflur vorfand. Eine sorgfältig vorbereitete und äußerst vorsichtige Nachfrage bei seinen Brüdern ergab, dass es sich um den Teil einer geplanten Aktion handelte, die eher unter der Kategorie „minimales Problem“ eingestuft werden könnte. Eine Lappalie sozusagen.

Auslösender Moment für die Beseitigung dieser Kleinigkeit war höchstwahrscheinlich eine dieser wohlklingenden Werbeanzeigen in den verschiedenen Medien. Da in diesen Botschaften hohe Gewinne in wenigen Tagen versprochen werden, waren im Grunde genommen die Macher der Spots die Schuldigen am damaligen Dilemma.
Denn einzig und allein auf eine dieser Anzeigen hin, wurde bei vier verschiedenen Banken im Umfeld, selbstverständlich mit leicht geschönten Unterlagen, etwas Geld geborgt. Dass dabei dann gleich zwei Millionen Euro zusammenkommen würden, hatten die Brüder vorher auch nicht zu glauben gewagt.
So war es, rückblickend betrachtet, auch nicht das eigentliche Problem, an das Geld zu kommen. Die Komplikationen traten erst dann offen zutage, als nicht länger ignoriert werden konnte, dass bei den Verantwortlichen der betreffenden Gläubigerbanken ein Totalverlust in der Kreditsache Banich nicht mehr ausgeschlossen werden konnte.
Höchstwahrscheinlich geistig vollkommen überfordert, vergaßen die Neureichen, das geliehene Kapital nicht nur innerhalb weniger Tage enorm zu vermehren (dazu hatten sie ja eigentlich aus der Werbung die Gebrauchsanleitung), sondern auch zu den vereinbarten monatlichen Terminen in Raten zurückzuzahlen.
Trotz der wie üblich intensiven und bisher auch immer erfolgreich angewandten Gewaltandrohungen seitens der Kreditnehmer, waren die Bankenvorstände nicht zu einer Verlustabschreibung zu bewegen. Nach diesen aus heiterem Himmel auftauchenden Rückschlägen der eher unangenehmen Art auf ihrer Autobahn hin zum sorgenfreien Leben, waren sich die restlichen Brüder schnell darüber einig, dass es wohl für alle Seiten die beste Lösung wäre, die betreffenden Banken einfach in die Luft zu sprengen und somit dem Erdboden gleichzumachen. Die Schlussfolgerung (in der gewohnt etwas holprig daherkommenden Formulierung) lautete daher: Wo keine Bank, dort auch kein Kredit mehr.

