Bis 75 wirkt alles leicht kompliziert – aber ab dann tritt man mit einem breiten Lächeln ans Schienbein der Unbelehrbaren!
Ich gratuliere jetzt, mir nicht untypisch, mit einem Tag Verspätung, Konstantin Wecker zu seinem 75. Geburtstag.
Was treibt mich überhaupt dazu, diese Botschaft öffentlich zu machen?
Schlicht und einfach deshalb, weil ich enorm viel Zeit mit ihm verbracht habe. Wenn jemand so viele Tage auf die Wegstrecke des Lebens gelegt und dabei jeden Quadratzentimeter mit schier unzähligen Gedanken tätowiert hat, mich ganz nebenbei noch zum Nachdenken animierte, dann ist es mehr als rechtens, das Glas zum Prosit zu erheben.
Nein, es war nicht dieses Lied mit jenem Willy, den sie erschlagen hatten, was mich auf ihn aufmerksam werden ließ, sondern die Tatsache, dass jemand in Bayern überhaupt den Mund so weit aufreißt. Ich lebte in München und konnte am eigenen Leib erfahren, was es heißt, unter Beobachtung zu stehen.
Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie oft ich ihn live erleben durfte. Mit Klavier, Cello und Harfe, mit Wolfgang Dauner, nur mit Klavier oder auch vollkommen daneben – ich genoss es letztlich immer.
Und plötzlich stand er da, der Junge aus dem Münchener Stadtteil Lehel und hatte Mercedes Sosa und Joan Baez an seiner Seite.
Beides Persönlichkeiten, die ich wegen ihrer politischen Aufrichtigkeit zutiefst verehrte. Mercedes Sousa in Südamerika, wo sie gegen jede Art der Diktatur ihre Stimme erhob, und dann noch Joan Baez, die nicht nur Bob Dylan zum Erfolg verhalf, sondern auch gesellschaftspolitisch klar Stellung bezog.
Wecker war es auch, der einem weiteren Künstler auf der Liste mit Namen, denen ich höchsten Respekt zolle, nämlich Hanns Dieter Hüsch, die Musik zu Hagenbuch hat jetzt zugegeben komponierte und einspielte. Ein Glücksfall für die Hörerschaft, wenn man schon miterlebt hatte, wie Hüsch das Publikum mit einem Akkord auf seiner Klapporgel an den Rand eines Gehörsturzes bringen konnte.
Er stand an der Seite mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt auf der Bühne, lief zeitweise in einem Pelzmantel durch München und zog die Nase quer über den weißen Teppich, der in seiner Heimatstadt an beinahe jeder Ecke ausgelegt war.
Doch war von Letzterem wenig bis nichts während seiner Konzerte zu bemerken. Wecker-Konzerte sind eigentlich nicht so wirklich Konzerte, wie man sie von anderen Künstlern kennt. In maximal neunzig Minuten wird das Repertoire abgespult, vielleicht noch zwei Zugaben und dann ist Schicht im Schacht. Nicht so bei Wecker. Das sind meist Open-End-Veranstaltungen mit höchstem Unterhaltungswert. Es wird gelesen, es wird erzählt und musiziert, bis der Hausmeister den Stecker zieht.
Dabei ist es auch nicht unüblich, wenn zur Hälfte der Veranstaltung bereits ein Teil des Publikums sich auf der Bühne ums Klavier geschart hat. Kein Einschreiten des Sicherheitsdienstes, kein Stoßen und kein Zerren. Es ist eben ein Wecker-Konzert!
So, das sollte auch genügen für den Rückblick auf die Zeit, die ich bis heute mit Konstantin Wecker verbracht habe. Herzlichen Glückwunsch und entdecke nur ja das Schweigen nicht für dich!
Die ganze Litanei über Bücher, Platten, Theaterstücke und Auszeichnungen erspare ich mir, da das Netz mit dieserlei Informationen fast überquillt.