Keine Ahnung. Ich sortiere lediglich das, was meine Gedanken in Unordnung bringt.

Unbestreitbar begegnen sie einem, die Tage, da sickern Ereignisse, Aufgegabeltes oder Erträumtes in das Areal der einzusortierenden Gedanken, während die Überforderung im Vorgarten lungert und dir ein überhebliches Grinsen zwischen die blühenden Geranien legt.
An diesem Dienstag nach der Jazz-Matinee rumpeln und dümpeln mehrere Themen in meinem Hinterkopf, die allesamt in naher Vergangenheit meine Gedanken beflügelten (was auch für mich mehr als ein Abenteuer sein kann), jedoch in keinen Kontext zu einem funktionierenden Netzwerk zu bringen waren. Passt weder in diese, noch fügt sich in jene Schublade.
In diesem Fall siegt die Dickköpfigkeit, lässt das Angesammelte in Sätze fließen, um anschließend ohne Umschweife zu erkennen, wie erzwungene Masse und unterschwellige Langeweile zum Bahnbrecher eines stilistischen Desasters werden können.
Als zielführenden Weg aus diesem Dilemma kann sich unter Umständen der radikale Einsatz eines Skalpells erweisen. Raus mit all dem füllenden Beiwerk und das intime Tête-à-Tête mit den wahrlich unterhaltsamen Aspekten genießen.

Warum scheint mich dieses Lied nicht loslassen zu wollen?
Dylan schrieb dieses Lied höchstwahrscheinlich 1962 und veröffentlichte es auf dem Album Freewheelin’ Bob Dylan, welches 1963 erschien. Somit zu einer Zeit, als meine Gehörgänge noch nicht gewillt waren, einem nuschelnden Barden aus Minnesota freies Geleit zu gewähren. Außerdem, und dies wiederholt sich Jahr für Jahr, redet doch im neuen Jahr kaum noch jemand von den Hits des letzten Jahres. Doch, ganz im Gegensatz zu Schuld daran war nur der Bossa Nova (Manuela) oder He’s So Fine von Lesley Gore, war A Hard Rain’s A-Gonna Fall nie ein Kassenschlager, hatte es aber überhaupt nicht eilig, sich einfach so aus den aufgewühlten Gedanken zu machen. Was auch daran lag, dass die Zeiten von Napalm, Agent Orange und atomarer Aufrüstung geprägt waren, andere Künstler sich Dylans Text wieder vornahmen und dem Song einen eigenen Stempel aufdrückten. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Es vergeht kein einziger Tag auf unserem Planeten, an dem ich nicht dieses Lied in die Hand nehmen könnte und es voller Abscheu den so selbst- und siegessicher wirkenden Kriegstreibern an die Wange klatschen könnte.

Der nuschelnde Barde ist aus meinen Gehörgängen jedenfalls seit sehr langer Zeit nicht mehr wegzudenken. Da der Text von A Hard Rain’s A-Gonna Fall überall abrufbar ist, ist es heute mein Anliegen, einen kurzen Blick auf dessen Entstehung zu werfen.
Es ist wohl eine der bewegendsten und aufwühlendsten Anti-Kriegs-Balladen der letzten Jahrzehnte. Was jedoch kaum jemand weiß, ist die Tatsache, dass das Lied auf einer alten Volksballade basiert, die auch als Lord Randall oder Lord Ronald bekannt ist und in der eine Mutter ihren Sohn wiederholt befragt (beginnend mit: Wo warst du?), woraufhin dieser offenbart, dass er vergiftet wurde. Das Lied endet damit, dass er tot zu Boden fällt.
Dylan, sowieso tief in den Beständen der amerikanischen Volksmusik verankert, nahm sich dem Lied an und formte es als Grundlage für A Hard Rain’s A-Gonna-Fall.
Dylan sagte einst darüber: „Hard Rain’ ist ein verzweifelter Song. Jede Zeile darin ist eigentlich der Anfang eines ganzen Songs. Aber als ich ihn schrieb, dachte ich, dass ich nicht mehr ausreichend Zeit haben würde, um all diese Songs zu schreiben, also habe ich alles, was ich konnte, in diesen einen gesteckt.“
Richie Havens, der nicht erst seit dem Woodstock-Festival in der amerikanischen Folk-Szene eine feste Größe war, erinnerte sich ebenfalls an die Melodie von Lord Ronald – jedoch mit den Lyrics von Bob Dylan. So nahm er das Lied in sein Programm auf. Überliefert dazu der Rückblick von Richie: „Ich erinnere mich, wie ich den Song in Folk City sang und ein Typ mit Tränen in den Augen auf mich zukam und mir sagte, dass es seine Lieblingsversion des Songs sei – und dann einfach wieder wegging. Ich ging runter in die Garderobe und Dave Van Ronk kam auf mich zu. Er sagte zu mir, weißt du, wer das war? Er hat diesen Song geschrieben. Ich sagte: Nein, hat er nicht! Gene Michaels hat den Song geschrieben. Van Ronk sagte, Nein, hat er nicht! Bob Dylan hat den Song geschrieben, und das eben war nur er. Es hat mich umgehauen, dass er mir ein Kompliment gemacht hat, weil ich einen seiner Songs gesungen habe – und ich hatte es noch nicht einmal bemerkt.“

… jetzt ist mir so einiges klar!

Nein, der Meister hier präsentiert nicht stolz wie Oskar seine erste selbst gebaute Tüte im handlichen Mitnahmeformat, sondern schließt mit seiner Präsentation eine nicht unwesentliche Lücke im löchrigen Teppich meiner Bildungshistorie.
Ein Schwenk zurück in die Tage meiner Jugend, als Pädagogen, zuständig, ja möglicherweise sogar ausgebildet, für das Wissen über die Abgründe im naturwissenschaftlichen Sektor der Schülerschaft am Knabenrealgymnasium Neunkirchen/Saar einzutrichtern, an meiner Person die Erfahrung einheimsen konnten, dass Hopfen und Malz als verloren zu deklarieren, sehr wohl in dem Unterrichtsfach Chemie seine Daseinsberechtigung verdient.
Mathematik ja – Physik, weil ebenfalls Leistungskurs, nicht zu umgehen – jedoch als Zuschlag noch Chemie? Warum experimentierte der Wahnsinn in meiner Gegenwart an einem Dreifachsalto?
Von Anfang an zog es mich, in der damals rein maskulinen Lehranstalt, eigentlich mehr in den altsprachlichen Zweig. Da jedoch Ziehen und Anziehung sehr viel mit der Physik zu tun haben, war mein Vater, Pädagoge mit Lehrauftrag, selbst ernannter Maschinenbauer der Extraklasse und schnörkelloser Analytiker richtungsweisend des Werdeganges und der Bildung seines Filius betreffend, der Meinung, mich in den Dschungel der Gleichungen und Formeln zu verbannen.
Ein nie zu vergessener Beweis seiner pädagogischen sowie analytischen Fähigkeiten spiegelt sich in seiner damaligen Äußerung meiner Mutter gegenüber, als er, während er mit einer von mir abgegebenen Chemie-Klausur in der Luft wedelnd, hysterisch nach Luft rang und die Botschaft losließ: „Unser Blindgänger hat seine Gene von deiner Seite eingeheimst.“
Alles kompletter Bullshit, wie die Wissenschaft jetzt beweist.
Mich sandte man an die Tafel mit einem eher profan weißen Teil der Firma Lerlitz. Hart, dazu eckig gehalten, mit einer Tüte für das unbeschwerte Zwischendurch kein Vergleich und trotzdem erwartete man von mir naturwissenschaftliche Eruptionen der geistreichen Art, während Einstein, Hawkins & Co. mit der Hagoramo ausgestattet, einfach nur die Finger fließen lassen mussten.
Meinen Lösungen, der mir gestellten Aufgaben, ernteten zwar keine Beifallsstürme, entsprachen zumindest meinen Vorstellungen zur Vereinfachung der Naturwissenschaft.

