Der neue Morgen brachte zum ersten Mal auf der Tour neben viel Tau auch Temperaturen im einstelligen Bereich. Im Schlafsack war mir das gar nicht aufgefallen. Also mußten zwei Frühstückskaffee her. Um 08:30 Uhr ging es los. Standort: km 376, kurz vor Glogow (Glogau).
Dieser Turm kündigt an, das ich die Stadt bald erreichen werde.
Vor der Stadt liegen links noch zwei Altarme der Oder. Beide scheinen bei Normalwasserstand befahrbar zu sein, im ersten steht eine Spundwand. Von Glogow (Glogau) selbst bekommt man neben den Industrieanlagen recht wenig zu sehen. Dabei ist die Stadt nicht klein, sie zählt rund 68.000 Einwohner. Es gibt erwähnenswerte Industrie und auch die im 2. Weltkrieg völlig zerstörte Innenstadt wird nach und nach wieder aufgebaut. Von all dem bekommt man vom Wasser recht wenig mit. Es gibt keinen Anleger, keine Marina oder dergleichen.
So muß es beim Blick auf diejenigen Häuser bleiben, die vom Wasser aus zu sehen sind.
Hinter den Damm rechts verbirgt sich ein kleiner Hafen, der nach dem Passieren der letzten Brücke befahren werden kann. Das Fahrwasser sah sehr flach aus, Boote, Infrastruktur oder ein Hinweis für Wassersportler waren nicht zu erkennen.
Nach der Durchfahrt durch die beiden Brücken ist man auch fast schon durch die Stadt. Am rechten Ufer taucht folgendes Gebilde auf:
Fort Malakoff
Es handelt sich um ein Festungsbestandteil, das die Wirren der Zeit überstanden hat und wird "Turm Reduit", "Fort Malakoff" oder "Barbakan" genannt. Glogau wurde in den zahlreichen Kriegen der Vergangenheit zur Festung ausgebaut, weitere Festungsteile gibt im Hinterland des rechten Ufers zu sehen, wenn auch nicht vom Wasser aus.
Am linken Ufer gibt es noch einen Hafen mit großem Eisenbahnanschluss.
Hafen Glogau
Sehr einladend sah es nicht aus und es roch auch nicht so... Die Einfahrt zum Hafen ist bei km 395.
Nach dem Verlassen von Glogau nimmt die Natur wieder Besitz vom Fluß. Bei km 399 gibt es am linken Ufer in den Buhnen Spundwände und Beton, am km 401 einen kleinen Anleger, wo man bei normalem Wasserpegel durchaus auch ein größeres Boot festmachen kann.
Im weiteren Verlauf gibt es nicht nur Natur:
sondern immer auch kleine Ansiedlungen am Fluss, die hinter dem Deich hervorschauen.
Skidniow
Das da oben sind nicht die zu sehenden Häuser des Dörfchens Skidniow, das sind die beiden Gebäude des Dorfes... (km 403, rechtes Ufer). Etwas anders sieht es am km 413 aus, die Ortschaft Drogomil hat schon ein paar mehr Häuser. Aber nur zwei davon stehen am Fluß. Nicht gerade die beste Lage, betrachtet man die Hochwasser der Vergangenheit. Die erkennbare, kleine Slipstelle steht auf Privatgrund und ist nicht nutzbar.
Bei der Fahrt fiel auf, das ab ca. km 310 die Angler sehr selten wurden. Das ist sehr untypisch für Polen, wo sonst eigentlich jede dritte Buhne fest besetzt ist - zu so gut wie jeder Tageszeit. Woran das lag, konnte ich nicht ergründen.
Viel Zeit zum Überlegen blieb auch nicht, denn am km 315 tauchen die nächsten Türme am Horizont auf.
Bytom Odrzański (Beuthen an der Oder), dem wir uns hier nähern, ist eine Stadt mit rund 4500 Einwohnern. Wegen der exponierten Lage in einer Rechtskurve im Strom ist die Stadt sehr hochwasserbedroht und es kam regelmäßig zu verheerenden Überschwemmungen.
Sanierungsarbeiten
Beuthen hat einen Hafen, der links direkt in der Stromkurve abzweigt. Ein Hinweis auf Liegemöglichkeiten oder Versorgung fehlt. Nach Aussagen eines Einheimischen soll es solche aber in geringem Umfang geben.
Die Fähre ist eine Personenfähre, die zur Zeit aus einem kleinen Kahn besteht. Die Größe der Fährzufahrt lässt das wohl eher nicht vermuten. Nach Absprache besteht hier sicherlich eine Slipmöglichkeit der bequemeren Art.
Die Fähre ersetzt eine Brücke, die bei den Kämpfen im 2. Weltkrieg zerstört und bis heute nicht wieder aufgebaut wurde.
Brückenreste
Ganz so unbewohnt wie bisher bleibt es nicht mehr am Fluss. Am km 421 geht es an Ruinen vorbei:
Schloss Carolath
Die gehören zum Schloss Carolath und liegen im Dorf Siedliskow (Carolath) am rechten Steilufer der Oder.
Am km 424 geht es mit Kielcz am linken Ufer gleich weiter. Wasserwanderinfrastruktur (na ja, jedenfalls ein bisschen) gibt es allerdings erst wieder in Stara Wies, km 427, am linken Ufer. Hier entstand ein Rastplatz, der sich vor allem an die Paddler richtet, an dem es aber auch einen Steg gibt.
Rastplatz Stara Wies
Infrastruktur für den Wassersport? Sehr seltsam. Kurz vorm km 429 taucht die nächste Brücke auf. Und sie braucht die ganze Aufmerksamkeit, denn die Durchfahrtsbreite ist erheblich eingeschränkt und genau einzuhalten!
Brücke Neusalz
Danach folgt unmittelbar Nowa Sol (Neusalz). Neusalz ist das Verwaltungszentrum der Region und zählt mit 40.000 Einwohnern nicht zu den kleinsten Ansiedlungen an der Oder. Nach der Wende in Polen ist hier sehr viel Infrastruktur entstanden, unter anderem eine Marina. Damit gibt es in Nowa Sol die erste moderne Marina an der Strecke.
Die Marina liegt am Strom in einer ehemaligen Buhne am linken Ufer kurz vor der Hafeneinfahrt des Industriehafens.
Die Stadt verschwindet und es taucht erst mal wieder Natur auf. Nach einer Eisenbahnbrücke erreichen wir das Örtchen Milsko, das eine Fähre sein eigen nennt. Die Durchfahrt ist schnell erledigt, danach folgt erst mal wieder Natur.
Trotzdem wird es langsam Zeit, sich ein Nachtlager zu suchen. Alle schmerzt, besonders die Stelle, wo man so drauf sitzt. Ausstrecken wäre auch mal ganz gut. Die ist am km 465 am rechten Ufer gefunden. Hier gibt es eine kleine Insel in der Buhne. Gegen 15:50 Uhr lande ich nach 79 km Fahrtstrecke an und mache mir es bequem.
Angelandet
Und ausgeräumt
Bisschen dreckig
Ladeorgie
Ich habe bewusst zeitig mit der Fahrt aufgehört, denn die Ausrüstung soll noch etwas trocknen. Gerade der Schlafsack ist noch feucht, aber auch die Abdeckplane. Und auch in den Kisten muss mal wieder Ordnung geschaffen werden. Geräte sind zu laden, auch im Boot sieht es übel aus. Nach dem Anlegebier bleibt Zeit, "meine" neue Insel genauer in Augenschein zu nehmen. Und ein Entschluss reift, nachdem der Weltempfänger auch für morgen gutes Wetter verkündete: Hier bleibe ich und gestalte morgen mal einen Ruhetag!
Blick von meiner Insel
Ich kann mir also Zeit lassen und erst einmal gibt es ein ausgiebiges Abendessen. Zeit auch, das Angelzeugs mal zu nutzen. Schließlich soll die deutsch-polnische Angelberechtigung ja nicht umsonst gewesen sein. Doch es tut sich nichts. Außer, dass sich am gegenüberliegenden Ufer in gut 500 m Entfernung Angler über die Buhnen verteilen und sich lautstark austauschen.
Gegen 20:00 Uhr ein seltsames Geräusch. Bis ich dahinter kam, das es sich um die Rolle der Angel handelt, war es schon zu spät. Den Kampf hab ich verloren. Eine geflochtene 20-er Schnur glatt durchgerissen. Immerhin gab es 10 Minuten später noch einen 45-er Spiegelkarpfen. Gegen 21:00 Uhr gings in den Schlafsack.
Es war ein schöner Tag. Keine Probleme, Ansiedlungen wechselten mit unberührter Natur.