Ich hab euch ja letztes Mal versprochen, dass ich mich bemühen möchte, mich regelmäßig bei euch zu melden, also, da bin ich nun.
In zwei Wochen ist es soweit, die Op steht vor der Tür und zeitgleich fahr ich morgen zurück in die Schweiz und dieses Mal für länger.
In mir geht ganz schön viel ab.
Witzigerweise gar nicht wegen der Op an sich, da hab ich bisher weder Bedenken noch Angst. Und trotzdem schlafe ich momentan sehr unruhig, hab jede Nacht chaotische wirre Träume, wache mehrmals auf und komme nicht zur Ruhe.
An allem drumherum.
Zum einen beginnt damit tatsächlich ein neuer Lebensabschnitt. Meine Brust steht für alles, was mit meiner weiblichen Entwicklung zu tun hat. Alte Gefühle, Ängste und viel kindlicher Schmerz, bricht an die Oberfläche.
Wer bin ich?
Was bedeutet diese Op psychisch für mich, was wird sich verändern, verändert es nichts oder doch alles? Dieser Einschnitt (im wahrsten Sinne des Wortes) hat mehr Bedeutung als nur die anatomische Entfernung eines sehr ungeliebten Teils meines Körpers. Es konfrontiert mich mit all dem Schmerz aus meiner Jugend.
Als ich in die Pubertät kam, fühlte es sich für mich an, als würde ich sterben. Der Mensch für den ich mich hielt, starb und aus dem Aschehaufen, bastelte ich etwas Neues, was sich für mich eher nach Frankenstein anfühlte als nach echtem gelebten Leben. Jetzt darf der Mensch, den ich als Rachel lieben und schätzen gelernt habe wieder zurück treten und etwas Neues wird geboren. Wieder stirbt etwas von mir.
Und obwohl ich mich extrem darauf freue, gibt es viele Fragen.
Der zweite und beinahe stärkere Faktor, ist meine Rückkehr in die Schweiz.
Ich fahre morgen rüber und werde erst mal bleiben. Ich beende für den Moment mein Nomadenleben. Ich brauch wirklich dringend eine eigene Wohnung, ich muss zur Ruhe kommen, ankommen. Ich brauch jetzt Raum nur für mich, etwas Eigenes ein Zuhause und eine gewisse Stabilität. Es verändert sich in mir so viel, ich brauch im Außen gerade, eben, Ruhe und Stabilität.
Für die Zeit jetzt vor der OP, hab ich mir ein Arbeitsverbot erteilt. Ich neige dazu, so viel Stress aufzubauen, dass ich all diese Gefühle nicht spüre, sondern einfach durchrase wie ein Orkan. Aber das wäre nicht gesund. Dann kommt später plötzlich der Moment wo du da stehst und in ein Loch fällst, weil du dich umsiehst und gar nicht weißt, wo du bist oder wie du da landen konntest. Also bremse ich den Zug meines Lebens ab und verdonnere mich zum Fühlen, bewusst Erleben und Wahrnehmen. Ich möchte die nächsten zwei Wochen viel in mich gehen, wandern, meinen Körper spüren meine Gefühle erfassen, mich mit meinen Ängsten und Hoffnungen auseinandersetzen und einfach ganz bewusst und entschleunigt den Moment erleben.
Ich weiss noch nicht genau, wie es in der Schweiz weitergehen wird.
Gerade gibt es mehrere Optionen und eine kristallisiert sich besonders klar als sinnvoll heraus. Ich werde für den Anfang definitiv einen Brötchenjob brauchen, 1500 Euro monatlich reichen in Basel nicht ansatzweise, um davon zu Leben. 2000 Euro sind so die Existenzsicherung in der Schweiz, je nach Kanton sogar etwas mehr. Ich werd also einen Brotjob suchen, damit die Fixkosten definitiv fest gedeckt sind, ich dachte da an eine 50% Stelle in der Nachtschicht auf einem Firmengelände oder so. In der restlichen Zeit, möchte ich mein Business weiter ausbauen, mein Wissen vertiefen, erweitern und wachsen.
Mit dem Plan, eine Basis in Basel aufzubauen, melden sich viele alte Ängste zurück. Die traumatisierende Erfahrung rund um meine Ausbildung. Das Gefühl, nicht genug zu sein, keine Sozialkompetenz zu besitzen und das eine Anstellung mir das Leben zur Hölle macht, all das brodelt in mir. Und doch spür ich ganz klar, das bin nicht mehr ich. Diese Gefühle dürfen gefühlt und losgelassen werden.
Ich hab keine Ahnugn, wie es genau weiter gehen wird und das macht mich wahnsinnig. Und doch vertraue ich mir und dem Leben 100% und bin dankbar für diese intensive Lernphase, die ich durchschreiten darf.
Alles darf sein und alles ist gut, wie es ist.
In 2 Wochen wird etwas großartiges passieren, etwas, was ich mir vor 20 Jahren bereits mehr wünschte als alles andere. Das wühlt ganz viel in mir auf und ist eine riesige Chance, aufzuräumen.
Wie macht ihr das, wie geht ihr mit großen Veränderungen um?