Erster Entwurf des Prologes*
-Der Seelenfänger -
Gehetzt werfe ich einen Blick hinter mich, die Gasse liegt verlassen da und nur die Katze auf der Mülltonne mustert mich mit wachen Augen.
Mit einem Ruck öffne ich die Türe und sofort schlägt mir der Gestank von Pisse und abgestandener Luft entgegen.
Mehrere Stufen auf einmal nehmend, sprinte ich die steilen Treppen nach unten in den Keller der abrissbereiten Bruchbude.
Noch bevor ich unten ankomme, zerre ich mein Handy aus der Hosentasche und wähle die Rückruftaste.
»Oscar?« Die Frauenstimme klingt erleichtert.
»Bist du bereit Elaine?«
»Hast du sie, hat es funktioniert?«
Ein breites Grinsen huscht über mein Gesicht.
»Na klar, der alte Mann hatte schon so gut wie abgedankt als ich ankam. Seine Seele löste sich schon von seinem Körper und ich musste nur ein klitzekleines Bisschen mit der Klinge nachhelfen.« Ich ziehe die kleine gläserne Phiole aus der Brusttasche meiner Jacke heraus und sofort wird das Treppenhaus in kühles pulsierendes Licht getaucht. »Sie ist wunderschön Elaine und mächtiger als alles, was wir bisher gefunden haben.« Flüstere ich leise in mein Handy. Die Seele in dem gläsernen Fläschchen bewegt sich unruhig, wie eine dieser weißen Quallen im Aquarium, hin und her.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren, ich bereite das Portal vor, ruf mich an wenn du soweit bist und Oscar, bitte sei vorsichtig!«
»Mach ich!« Langsam lasse ich die Phiole zurück in meine Brusttasche gleiten und leuchte mit dem Handy die Wände nach einer freien Fläche ab.
»Oscar!« Ertönt, gedämpft durch die Mauern, eine rauchige Männerstimme. »Ich weiß, dass du hier bist. Sei ein braver Junge und gib mir zurück, was du gestohlen hast!«
»Oh scheiße!<< Mein Herz beginnt zu rasen während ich hektisch meinen Dolch aus seiner Scheide ziehe.
Über mir erschüttert ein lautes Krachen die Stille, als knalle die Türe mit voller Wucht gegen die Wand.
»Oscar, Oscar, Oscar. Wo willst du denn hin, du kannst dich nirgends vor mir verstecken. Ich werde dich finden und je länger es dauert, umso wütender werde ich sein. Und du weißt was passiert wenn ich wütend bin, nicht wahr, dass weißt du doch noch oder?«
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und obwohl es kühl ist, läuft mir der Schweiß über die Stirn. Zitternd schneide ich mir in den linken Handballen. Sofort fließt das Blut warm und dunkelrot in meine Handfläche hinein.
Vorsichtig fange ich an, die uralten Runen mit meinem Blut auf die Wand zu malen, während die Schritte über mir langsam lauter werden.
»Es war ja schon unglaublich dumm, vor mir weg zu laufen mein Sohn. Aber dann die Dreistigkeit zu besitzen, zurück zu kommen um mir mein Eigentum zu stehlen, dass ist schon beinahe wieder beeindruckend. Du weisst doch, das ich dich dafür bestrafen muss, du hast es selber so gewollt mein Junge.«
Als ich mit dem Symbol fertig bin, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und rufe erneut Elaine an. »Ich bin soweit!«
In dem Moment erscheinen die Füße meines Vaters auf der Treppe. »Wo willst du jetzt hin, Kleiner?«
Als er mein Kunstwerk an der Wand sieht, verzieht sich sein Gesicht zu einer hässlichen Fratze. Während er seine Waffe zieht, auf mein Herz richtet und abdrückt, brülle ich »Jetzt!« ins Telefon. Zeitgleich schneide ich das letzte Zeichen in meine Handfläche und presse sie in die Mitte der Runen und spreche die Worte einer uralten, längst vergessenen Sprache.
Wie in Zeitlupe löst sich der Raum um mich herum auf.
Die Kugel, welche in wenigen Sekunden meine Haut durchdrungen hätte, verschwindet und plötzlich stehe ich in vollkommener Dunkelheit.
* Der 1. Rohentwurf eines Romanes ist vergleichbar mit der Skizze eines gemalten Bildes. Es fehlen noch viele Feinheiten und die Szenen die ich euch jetzt zeige, bedürfen noch vieler Überarbeitungen ehe sie fertig sein werden. Wenn man einen Roman schreibt, ist der 1. Schritt immer, den Rohentwurf von Anfang bis Ende so schnell wie möglich zu schreiben. Danach geht eine mindestens genauso intensive und wichtige Phase der Überarbeitung los in der man die Details, Dialoge, Figuren Szene für Szene verfeinert und eben halt überarbeitet.
Vielen Dank an den lieben @brongkong für sein tolles Bild, welches er extra für mich nach meinen Wünschen anfertigte.