Zur Info: Die ursprüngliche Version meines Beitrags war zweisprachig, was in der gewählten Community nicht zulässig ist. Daher wurde der Beitrag gemutet. Ich habe den deutschen Teil ausgeschnitten und hier separat veröffentlicht, um die Stummschaltung aufzuheben und ihn dennoch zugänglich zu machen. @vanje
"Und plötzlich war alles anders.“
Manche Reisen beginnen nicht mit einem Koffer, sondern mit einer inneren Unruhe – mit einem Gedanken, einem Gespräch oder einem Moment des Innehaltens.
Wahrnehmung, Einschätzung, Gleichgewicht - Image by Ulrike Mai on Pixabay
Seit vielen Jahren begleite ich einen guten Freund durch Höhen und Tiefen. Nennen wir ihn Markus. Ein Mensch, der mir sehr am Herzen liegt – jemand, dessen Weg mich tief berührt hat. Was ihn auszeichnet, ist seine Offenheit, seine Nachdenklichkeit – und der Mut, auch über die unbequemen Seiten des Lebens zu sprechen.
Diese Serie ist eine Einladung, an seinen Gedanken und Erfahrungen teilzuhaben – nicht als perfekte Geschichte, sondern als ehrliche Reflexion über das Leben, seine Brüche und das, was uns trägt.
Inspiriert durch Posts über den Sinn des Lebens – aber auch durch aufschlussreiche Listen von Krankheiten, die andere in die Erwerbsunfähigkeit geführt haben – begann Markus, sein Leben zu hinterfragen:
- Was bedeutet das Leben wirklich?
- Wie geht man mit den Umwegen um, die keiner geplant hat?
- Und wie kann man anderen Mut machen, die auf ähnliche Weise aus dem Tritt geraten sind?
Es geht mir auch darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, warum sich Menschen manchmal scheinbar plötzlich verändern – auch wenn man glaubt, sie gut zu kennen. Hinter solchen Veränderungen liegen oft Prozesse, die unsichtbar beginnen: innere Kämpfe, gesundheitliche Herausforderungen oder persönliche Umbrüche. Diese Texte sollen helfen, solche Entwicklungen besser zu verstehen – mit mehr Empathie, Offenheit und einem Blick hinter die Fassade.
Die Geschichte basiert auf wahren Erlebnissen, die ich aus nächster Nähe miterlebt habe. Ich erzähle sie aus einer beobachtenden Perspektive – mit etwas Abstand, aber voller Nähe. Eine Geschichte, die nicht nur von Markus handelt, sondern vielleicht auch ein Stück weit von uns allen.
Wie alles begann
Markus lebte ein Leben, das viele als erfolgreich bezeichnen würden.
Führungsposition in einem globalen Unternehmen, elegante Autos vor dem Haus, Urlaube im Fünf-Sterne-Hotel – von außen betrachtet schien alles perfekt. Doch hinter der glänzenden Fassade schlich sich eine leise Erschöpfung ein.
Der Alltag war durchgetaktet: Termine, Meetings, Verpflichtungen – und irgendwo dazwischen verlor sich das, was wirklich zählte. Die Familie rückte in den Hintergrund, die Kinder sah er oft nur flüchtig. Gespräche mit seiner Frau wurden oberflächlicher, und das innere Gleichgewicht begann zu wanken.
Bis zu jenem Morgen, als Markus aufwachte und ein seltsames Rauschen im Kopf spürte – kein Schmerz, kein Fieber, sondern ein diffuser Nebel, der seine Gedanken überlagerte. Ein Moment, der alles veränderte.
Der Weg durch die Dunkelheit
Es begann schleichend. Noch bevor der große Zusammenbruch kam, spürte Markus erste Veränderungen – vor allem beim Schlaf. Nächte wurden unruhiger, der erholsame Tiefschlaf blieb aus, und der Körper schien ständig unter Strom zu stehen.
Dank wertvoller Kontakte in der Schlafmedizin, die ihm zur Verfügung standen, wurden kurzfristig Termine im Schlaflabor arrangiert – insgesamt verbrachte Markus dort acht Tage. Zunächst schien alles im gewohnten Rahmen zu verlaufen: Restless-Legs-Syndrom wurde diagnostiziert, eine quälende Unruhe in den Beinen, die den Schlaf raubte.
Schlafapnoe (AHI 40,1) | Schlafapnoe ist eine Störung, bei der die Atmung während des Schlafs immer wieder aussetzt. Der AHI (Apnoe-Hypopnoe-Index) misst, wie oft solche Atempausen pro Stunde auftreten. Ein AHI von 40,1 gilt als schwere Schlafapnoe und kann zu Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Belastung des Herz-Kreislauf-Systems und langfristigen Gesundheitsrisiken führen, wenn sie unbehandelt bleibt. |
Restless-Legs-Syndrom (RLS) | Eine neurologische Störung, bei der ein starker Bewegungsdrang in den Beinen auftritt, oft begleitet von unangenehmen Missempfindungen. Die Beschwerden verstärken sich meist in Ruhe oder am Abend und können den Schlaf erheblich stören. |
Doch im Arztbrief, basierend auf verdächtigen EEG-Aufzeichnungen, tauchte ein beunruhigender Zusatz auf: Verdacht auf Glioblastom. Dieser Hinweis – zunächst nur beiläufig notiert – veranlasste alle weiteren Untersuchungen in diese Richtung.
Doch der nächste Schock ließ nicht lange auf sich warten:
Im CT-Befund tauchten plötzlich "lungenverdächtige Rundherde“ auf – eine erneute Hiobsbotschaft, die alles ins Wanken brachte.
Erst Tage später stellte sich heraus, dass es sich lediglich um einen Diktierfehler im CT-Befund handelte – ein falsch eingesprochenes Wort, das fälschlicherweise diese Formulierung enthielt. Beim Diktieren war das Wort „keine“ vergessen worden – statt „keine lungenverdächtigen Rundherde“ stand im Befund nur „lungenverdächtige Rundherde“.
Ein kleiner Fehler mit großer Wirkung, der erneut Angst auslöste.
Glioblastom | Ein besonders bösartiger und schnell wachsender Hirntumor. Er kann zu neurologischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit oder Persönlichkeitsveränderungen führen. Die Prognose ist oft ungünstig. |
Lungenverdächtige Rundherde | Ein radiologischer Befund, der kleine, runde Schatten in der Lunge beschreibt – möglicherweise Hinweis auf eine bösartige Veränderung. Solche Herde können jedoch auch harmlos oder – wie im Fall von Markus – durch einen Diktierfehler im Befund verursacht worden sein. |
Zwar war die Erleichterung über die Aufklärung groß – doch der ursprüngliche Verdacht auf Glioblastom, basierend auf den EEG-Aufzeichnungen, bestand weiterhin und führte zu weiteren Untersuchungen.
Die emotionale Belastung und die Wochen voller Angst hinterließen Spuren – auch wenn der Körper im CT gesund erschien.
Der Weg führte weiter zu Neurologen. Dort wurde eine eingeschränkte Nervenleitfähigkeit festgestellt, und eine Hautbiopsie bestätigte später Small-Fiber-Neuropathie – eine Erkrankung, die mit Missempfindungen und chronischer Erschöpfung einhergeht.
Seitdem nutzt Markus ein BiLevel-Gerät, das ihm nachts beim Atmen hilft und den Körper spürbar entlastet – ein kleiner, aber wirkungsvoller Baustein auf dem Weg zurück zu mehr Stabilität.
Small-Fiber-Neuropathie | Eine Erkrankung der kleinen Nervenfasern, die für Schmerz- und Temperaturempfinden zuständig sind. Sie äußert sich häufig durch Brennschmerzen, Kribbeln, Taubheit oder Missempfindungen – meist in Händen oder Füßen. Auch chronische Erschöpfung kann damit verbunden sein. |
BiLevel-Therapie (BiPAP ST) | Eine nicht-invasive Beatmungstherapie mit zwei unterschiedlichen Druckniveaus für Ein- und Ausatmung. Markus nutzt ein sogenanntes ST-Gerät, das zusätzlich Atemzüge im richtigen Takt unterstützt. Diese Form der Therapie kommt häufig bei gemischten Apnoen zum Einsatz – also bei einer Kombination aus obstruktiver und zentraler Schlafapnoe. |
Ein neuer Blick auf das Leben
Letztlich brachte ein neurologischer Klinikaufenthalt Klarheit: Der Tumorverdacht, der auf den EEG-Aufzeichnungen beruhte, wurde endgültig widerlegt. Stattdessen lauteten die Diagnosen: schwere depressive Episode und Pseudodemenz – ein Schattenbild, das sich über Monate hinweg aufgebaut hatte und vieles überlagerte, was eigentlich in der Tiefe lag.
Depression | Eine ernsthafte psychische Erkrankung, die Stimmung, Energie, Motivation und Wahrnehmung beeinträchtigt. Typisch sind Antriebslosigkeit, innere Leere, Erschöpfung und der Verlust an Lebensfreude. |
Pseudodemenz | Eine Störung mit dem Erscheinungsbild einer Demenz – z. B. Vergesslichkeit, Verwirrtheit, die jedoch durch eine Depression verursacht wird. Im Gegensatz zur echten Demenz können sich die Symptome bei Behandlung der Depression deutlich verbessern. |
Die Empfehlung der Ärzte lautete: stationäre Aufnahme in der psychiatrischen Abteilung.
Für Markus war das ein Schock. Psychiatrie – in seinen Vorstellungen ein Ort, an dem man „die Anderen“ trifft. Und doch wurde es zum Ausgangspunkt seiner wahren Reise. Als er den langen Flur entlangging, spürte er die Blicke der anderen, die ebenfalls auf einen Neuanfang hofften. Sein Herz schlug schneller, doch eine innere Stimme flüsterte:
"Du bist hier, um Hilfe zu bekommen – das ist der erste Schritt.“
Im Zweibettzimmer begegnete er Stefan, der sich in seiner letzten Klinikwoche befand. Ein ruhiger, kluger Mensch, der selbst lange in einer verantwortungsvollen Position gearbeitet hatte. Stefans Offenheit und Gelassenheit nahmen Markus die Angst und zeigten ihm, dass psychische Krisen nicht nur „die Anderen“ betreffen – sie können jeden treffen.
Die eigentliche Reise beginnt
Für Markus markierte dieser Moment den Wendepunkt – nicht im Sinne eines vollständigen „Wiederfunktionierens“, sondern als Beginn der Suche nach sich selbst.
Er begann zu verstehen, dass der Sinn des Lebens nicht in äußerem Erfolg liegt, sondern im achtsamen Umgang mit dem, was ist.
Im Mut, sich seinen eigenen Schwächen zu stellen und Hilfe anzunehmen.
Und in der Erkenntnis, dass Verletzlichkeit kein Makel, sondern ein Zeichen gelebter Menschlichkeit ist.
Fazit – Gedanken zum Mitnehmen
Diese Geschichte ist keine Anleitung oder ein Patentrezept. Sie soll vielmehr ein Spiegel sein – für alle, die gerade zwischen Fragezeichen und Aufbruch stehen.
Denn das Leben ist kein gerader Weg. Es ist ein Pfad mit Abzweigungen, Umwegen und stillen Pausen.
Manchmal führt genau ein vermeintlicher Umweg zu dem Ort, an dem man endlich bei sich selbst ankommt.
"Das Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu machen.“
– John Lennon
Danke fürs Lesen.
Wenn dich diese Geschichte berührt hat, bleib gern dabei – es folgen weitere Etappen dieser Reise.
Vielleicht erkennst du dich an der einen oder anderen Stelle wieder.
Vielleicht schenkt dir Markus’ Weg neue Perspektiven.
Oder einfach das beruhigende Gefühl: Du bist nicht allein. 🙂
✦ Vorschau: Teil 2
Im nächsten Teil dieser Serie werde ich über Markus' Zeit in der Psychiatrie berichten - seine Rehabilitation, den frustrierenden Umgang mit Versicherungen und Behörden und die Frage: Wie baut man ein neues Leben auf, wenn das alte nicht mehr passt?
➡ Teil 2 folgt in Kürze.
🟨 Über mich:
Ich schreibe gern Reiseberichte – aber auch über das Leben selbst: Erfahrungen, die mich bewegen, und Gedanken, die mir durch den Kopf gehen. Meine Texte sind eine Mischung aus persönlichen Eindrücken, Erinnerungen und den kleinen Momenten, die den Alltag prägen. Deutsch ist meine Muttersprache. Unterstützt durch KI-gestützte Werkzeuge wie Nuance Dragon, kann ich meine Gedanken frei fließen lassen und kreativ bis ins Detail arbeiten. Die Texte habe ich zuerst in Deutsch geschrieben - um die Lesbarkeit in der englischen Übersetzung zu erleichtern, wurden einzelne Passagen sprachlich leicht angepasst. Die Fotos, die ich teile oder für Fotomontagen verwende, stammen – sofern nicht anders angegeben – von meinem iPhone.