… und wie ist es dem überhaupt ergangen?

Wir blicken vorab zurück in Episode 1, in der wir darüber informiert wurden, dass Kalles wackelnde Milchzähne stets unter besonderer Beobachtung seiner Brüder standen und das ehemalige Wohnzimmer in einen Schießstand umgewandelt wurde.
In Episode 2 wurden wir Zeuge seiner schulischen Höchstleistungen und der bitteren Erkenntnis, dass innerhalb der Familie die Intelligenz doch sehr unterschiedlich verteilt schien.
Welch, wirtschaftlich betrachtet, überregionales Potenzial in Kalle steckt und warum Kalle in Albanien Götterstatus genießt, konnten wir in Episode 3 verfolgen.
Wieso und weshalb in der Familie Banich vergitterte Fenster eine nicht unwesentliche Rolle spielen und Ferkel sich ihren Schlachter selten selbst aussuchen dürfen, darüber gab uns Episode 4 Auskunft.
Episode 5 deutete schließlich an, welch ein unfassbar breites Spektrum an geschäftlich profitabler Vielfalt Kalle Banich offenzulegen versteht. Und doch (oder möglicherweise gerade deswegen) endete unser Blick auf das Leben dieses Ausnahmetalents mit diesem Satz:
Kalle Banich sah für sich die Zeit gekommen, eine kleine Verschnaufpause in sein Leben einzuflechten.
Die Pause scheint vorbei. Kalle hat einen neuen Job. Nicht irgend ein Job …

Kalle Banich - No fun without a dash of risk!
Noch am selben Tag noch wurde Kalle Banich, in einer kurzfristig eingeflochtenen Sondersendung der BBC, als neuer Cricket-Trainer der englischen Nationalmannschaft vorgestellt. Kalle hatte den Standort seines neues Domizil auf der Insel sorgsam ausgewählt. Ein traditionelles Haus im Londoner East-End erschien ihm als die nahezu perfekt gelegene Unterkunft, um sich unbelastet den neuen Herausforderungen stellen zu können.

Will man den Aussagen der unmittelbaren Nachbarn Glauben schenken, wurde das Haus früher von John Arthur Whitehead mit Leben gefüllt, ein Mann, an dessen Fähigkeiten noch heute jeder Bewohner in diesem Londoner Stadtteil gemessen wird. - Wenn heute überhaupt noch Ureinwohner, zu denen insbesondere auch Engländer zählen, dort zu finden sind.
John Arthur Whitehead brachte es nämlich fertig, an einem gewöhnlichen Freitag, nachdem er seine wöchentliche Lohntüte im Büro seines Arbeitgebers entgegengenommen hatte, in seinem Stamm-Pub, dem Rover’s Inn, vierundzwanzig Pint 'Light & Bitter' durch die Kehle rinnen zu lassen. Ganz nebenbei schaffte er auch noch das Kunststück, jeder anwesenden Frau durch geschicktes Handanlegen einen erwartungsfrohen Jauchzer zu entlocken.
Aus dem Stegreif und meist ungefragt gab er zudem die übelsten Sauflieder stimmgewaltig zum Besten. Zu fortgeschrittener Stunde, gewissermaßen als krönender Abschluss, brachte er noch zwei Ortsunkundigen, die sich aus South Kensington ins East-End verirrt hatten, das Fliegen aus dem stabilen Stand und das anschließend unvermeidbare Landen auf Asphalt ohne Fallschirm bei.
Kalle Banich, ganz darauf bedacht, im Sinne dieses örtlichen Heroen zu agieren, ließ sich jedoch erst einmal die Cricket-Regeln von Martha Bail erklären, die als Haushälterin in Kalles Tagesablauf den ein oder anderen Stolperstein aus dem Weg fegte. Der Ehemann der regelkundigen Frau war vor elf Jahren von einem Cricket-Vergleichskampf zwischen Australien und England nicht wieder zurückgekehrt. Nein, nicht wegen einer plötzlich eingesetzten Arbeitsverweigerung des Herzmuskels.
Mr. Bail gehört zu der Sorte Mensch, die auch nach dem Schlusspfiff weder das Ende noch das Resultat eines Matches akzeptieren. So sitzt er noch immer im Stadion 'Finsbury-Park' und beharrt starrköpfig auf ein Weiterspielen der beiden Teams. Seine Frau war sich von der ersten Sekunde an ihrer Verpflichtung bewusst, dem Ehemann bei seinen Forderungen beidhändig den Rücken zu stärken. So bringt sie ihm ohne Murren jeden Tag den Daily-Mirror, platziert für ihn die Pferdewetten und versorgt seinen Magen mit Köstlichkeiten der Sorte Fish and Chips samt Essig und Mayonnaise.
Das Liebesleben der beiden leidet zwar manchmal unter den gegebenen Umständen. Doch ist das Flutlicht mal eingeschaltet, riskiert Martha schon mach erotisches Spielchen mit ihrem geliebten Mann. Der Beifall der umstehenden Zuschauer bestätigt stets Banichs Haushälterin in ihrer Gewissheit, dass sie, ihr Alter berücksichtigend, noch immer gut in Form ist. Da, trotz gegenteiliger Vorhersagen ihres Mannes, die Pferdewetten doch nicht so erfolgreich liefen, wie sie sich das vorgestellt hatten, war Frau Bail letztlich gezwungen, den Job als Haushälterin bei Banich anzunehmen.
Nachdem Martha dem neuen National-Coach die wichtigsten Regeln eingetrichtert hatte, war der zwar ebenso schlau wie vorher, verspürte aber dafür einen beinahe unbändigen Durst. So machte sich zielstrebig auf, um die Lebensweisheiten eines John Arthur Whitehead zu befolgen. Er gab seiner Haushälterin frei für den Rest des Tages, was diese zu einem Besuch in Finsbury-Park nutzte und er selbst, machte sich auf ins Rover's Inn.
Zehn Minuten vor dreiundzwanzig Uhr, als der Wirt mit Glockengeläut zur letzten Bestellung mahnte, orderte Kalle Banich eine Runde für alle noch anwesenden Trunkenbolde. Beim Anheben der Gläser intonierte er mit kräftiger, allerdings nicht mehr ganz so klarer Aussprache ein Medley der bekanntesten Songs von Cliff Richard in einem nahezu akzentfreien Cockney.
Neben einer ansehnlichen Zahl anerkennender Schläge auf Rücken und Schulter brachte ihm die musikalische Einlage auch noch ein eindeutiges Angebot von Tina Rapsdale ein, welches er, ohne lange zu überlegen, umgehend annahm. Tinas Wohnung lag nur knappe zweihundert Meter von seiner Wohnung und sogar, was noch viel angenehmer war, nur ein paar Schritte vom Rover’s Inn entfernt.

Dieser Aspekt machte sich schon allein deshalb positiv bemerkbar, da Frau Rapsdale noch im Pub Kalle den Hosengürtel aus der Schnalle gezogen hatte. Nach fünfundzwanzig Meter an der frischen Luft hing das Beinkleid bereits nahe den Knien. Auf der Treppe zur Wohnung legte sich Kalle erst mal flach auf die Stufen, da der Hosenbund, der sich zwischenzeitlich bis zu seinen Fußknöchel vorgearbeitet hatte, keinen geordneten Schritt mehr zuließ.
Die Nacht mit Tina Rapsdale war für den neuen Cricket-Trainer ein wahrhaft intensiv gefühltes Erfolgserlebnis. Seine beinahe überkochende Euphorie nur schwerlich im Griff zu haben, ließ er am nächsten Tag, nahezu im Vorbeigehen, jeden, dem er über den Weg lief, wie selbstverständlich wissen, warum er ein so herrliches Lächeln spazieren trage. Nachdenklich wurde Kalle,
als er zum x-ten Mal die gleiche Antwort auf seine Schilderung zu hören bekam:
„Klar Coach, ich weiß, wovon du redest“, wich die einst brodelnde Aufgewühltheit einer tiefen Nachdenklichkeit.
Am darauffolgenden Sonntag besuchten Martha Bail und Kalle Banich zwecks Weiterbildung ein Cricket-Spiel zwischen den Teams von Croydon und Walthamstown. Das Match wurde im heimischen Stadion von Croydon ausgetragen. Unten auf dem Rasen schlenderten jede Menge weiß gekleideter Männer und warfen sich einen handlichen Ball zu, den ein unbelehrbarer Spielverderber immer wieder versuchte, mittels eines Paddel-ähnlichen Holzschlägers in die Zuschauerränge zu schlagen.
Das Wetter zeigte sich von seiner, für englische Verhältnisse, überschwänglichen Seite und Kalle erfreute sich, den Begebenheiten angepasst, bester Laune. Dieser euphorische Höhenflug war wohl darauf zurückzuführen, dass er sich erst ein paar Stunden zuvor, nicht nur geschickt, sondern auch äußerst selbstzufrieden aus Tinas passgenauer Beinschere befreit hatte.
So dürfte es auch nicht verwundern, wenn in seinem Gedankenkino, Szenen aus dem Nahkampf mit Tina, oftmals Erkenntnisse von dem Geschehen auf dem Spielfeld stark überlagerten. Martha dagegen schien von dem mäßig aufregenden Treiben auf dem Rasen ganz fasziniert. Der Spielverderber hatte mal wieder am Ball vorbei geschlagen, was von Kalle bejubelt, vom Rest des Publikums aber mit wüsten Beschimpfungen honoriert wurde.
Während die Emotionen auf den Rängen sich im Schneckentempo in die Region eines als normal bezeichnenden Blutdrucks näherten, nutzte ein kräftiger Regenschauer die außerordentlich günstige Gelegenheit, nicht nur den gepflegten Rasen, sondern auch samt und sonders Spieler und Zuschauer einzuweichen. Noch ehe Kalle Banich sich versah, hatten die weiß gekleideten Herrschaften den Rasen verlassen und Martha Bail begann mit dem Auspacken einer undefinierbaren Knetmasse.

Kaum der Umhüllung entledigt, bot sie Kalle ein Stück der weiß-grünen Pampe zum Verzehr an. Ihren Stolz nicht verbergend, legte sie (vergleichbar mit einer Serviette) die Prognose bei, dass es sich hier wohl unter Garantie um das beste Sandwich handele, welches ihm je zubereitet wurde. Doch Kalle Banich verspürte kein überaus großes Verlangen, seinen Magen mit etwas nahezu Unbeschreiblichen zu verkleistern, was er eigentlich eher zum Abdichten zugiger Fenster zum Einsatz bringen würde.
Voller Vorfreude auf andere Köstlichkeiten ließ er lieber Sauerstoff an einer Flasche schnuppern, die ihr Abfüller vor mehr als 12 Jahren mit feinstem Destillat gefüllt hatte. Er zog die Flasche Bell's Blended Scotch Whisky aus der Innentasche seines Sakkos und öffnete den Schraubverschluss. Bevor er jedoch zum ersten Schluck ansetzte, erkundigte er sich noch bei Martha, wie lange denn die Pause sich wohl noch hinziehen werde?
Da die weiße Knetmasse die beiden Kieferhälften der älteren Dame auf unabsehbare Zeit vollständig zusammengeschweißt hatte, erntete Kalle nur einen verachtenden Blick, der aber mehr Verachtung in sich barg, als ihm lieb sein konnte. Also, keine weiteren Fragen mehr und dafür öfter einen Schluck aus der hervorragenden Produktion der Familie Bell.
Zu einem späteren Zeitpunkt drängelte sich ein verkaufstüchtiger Pizza-Verkäufer durch die noch immer dicht besetzten Zuschauerreihen. Jener Freiluft-Kellner erklärte sich dann bereit, Banich nähere Informationen zum absehbaren Spielfortgang zu liefern. Schade nur war, dass der National Coach nur noch bedingt zur Aufnahme Informationen jeglicher Art bereit schien.
Den geistig auf Sparflamme laufenden Banich beschäftigte zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger nur noch eine Frage: Sollte er vielleicht, jetzt, da er die Familie Bell sozusagen von außen und innen kannte, anstatt wasserscheuen Ballwerfern Ratschläge zu erteilen, nicht lieber einer der Töchter des Hauses Bell einen Heiratsantrag machen?
Seinen Fokus uneingeschränkt auf den Geschäftsumsatz gerichtet, wurde Kalles körperliche und geistige Einschränkung schlichtweg ignoriert und so verhökerte der Dealer italienischer Massenware dem völlig überforderten Banich gleich fünf Teigfladen mit undefinierbarem Belag.

Dies war der Augenblick, in dem die Haushälterin in den sich anbahnenden Austausch hätte einmischen müssen, um ihren Arbeitgeber vor weiteren Verlusten (außer seinem klaren Verstand) zu bewahren. Da jedoch die Verärgerung über dessen unqualifizierte Fragen einfach zu tief saß, konzentrierte sie sich lieber weiter mit der leckersten Knetmasse, die je auf der britischen Hauptinsel belegt wurde.
Bevor der geschäftstüchtige, nach Oregano duftende Kellner mit aufgefüllter Geldtasche und seiner rot-weiß-grünen Mütze den Rückzug antrat, ließ er das Häufchen Elend (in welches sich Kalle Banich inzwischen verwandelt hatte) wissen, dass aller Voraussicht nach, wenn der Rasen endlich abgetrocknet sei, auch die weiß gekleideten Herrschaften zurückkommen werden.
Exakt jener Moment, als Kalle Banich sich aus dem Geschehen im Stadion von Croydon mit all seinen Sinnen in die Bewusstlosigkeit zurückzog.
Die finale Episode, mit der in Kürze zu rechnen ist, könnte Kalles Abgang von der internationalen Bühne bedeuten.

